Frauen erobern die Macht in der Schweiz. Mit der Wahl eines weiteren weiblichen Regierungsmitglieds hat das Parlament in Bern am Mittwoch Geschichte geschrieben. In der siebenköpfigen Bundesregierung, dem Bundesrat, sind die Frauen nun erstmals in der Mehrheit. Zu den vier weiblichen Bundesräten kommt eine ebenfalls mächtige sogenannte Bundeskanzlerin, die die Stabsstelle der Regierung führt.
So richtig angekommen ist die politische Weiblichkeit aber noch nicht bei den Eidgenossen. Vor den Wahlen hatte es Diskussionen gegeben, dass die Schweiz mit einer Frauenmehrheit in der Regierung nach außen nicht so gut aussehen könnte.
Schon mit dem Frauenwahlrecht hatten sich die Schweizer schwergetan. Erst 100 Jahre nach der Pariser Kommune und 52 Jahre nach Deutschland wurde es 1971 in der Schweiz eingeführt. Und dann gab es immer noch Lücken: Nachdem sich 1989 die Männer im Halbkanton Appenzell Ausserrhoden mit finsterer Miene zum Frauenwahlrecht auf Kantonsebene durchgerungen hatten, mussten diese im anderen Halbkanton Innerrhoden erst per Bundesgericht zur Einsicht gezwungen werden.
Die Schweiz sei ein "Kunstwerk", sagte der am Mittwoch ebenfalls frisch gewählte Bundesrat Johann Schneider-Ammann. Tatsächlich gibt es nirgendwo sonst in Europa eine Regierungsform wie in der Schweiz - eine Regierung, die vom Parlament nach Kriterien wie Regionszugehörigkeit und Parteienproporz gewählt wird. Man versteht sich als Kollegen. Nach außen wird die Schweiz durch einen Bundespräsidenten vertreten. Dieses Amt wird alljährlich an eines der Regierungsmitglieder zusätzlich zu dem jeweiligen Ministerium vergeben.
Sie sei sich bewusst, "dass es unmöglich ist, alle Erwartungen zu erfüllen", sagte Verbraucherschützerin Simonetta Sommaruga (50) nach ihrer Wahl. Frauen hatten es in der Schweizer Regierung bisher nicht leicht. Noch immer gelten Frauen im Lande als weniger an Politik interessiert als die Männer. Bei den zahlreichen Volksabstimmungen - das Volk ist der eigentliche Souverän - gibt es weniger Stimmen von Frauen als von Männern.
Eine Ausnahme soll da lediglich die Abstimmung zum Minarettverbot im November 2009 gewesen sein, die auch über die Landesgrenzen hinaus für Furore sorgte. Medienberichten zufolge sollen vor allem Frauen gegen Minarette gestimmt und letztlich den Ausschlag für die Annahme des Verbotes gegeben haben - aus Angst vor Ausbreitung eines militanten Islamismus gestimmt.
Anfang der 90er Jahre gab es in der Schweiz große Frauenbewegungen, die für mehr weiblichen Einfluss in der Politik eintraten. Frauenquoten waren eine häufig gehörte Forderung. Jetzt haben sie es auch ohne Quote in die Regierung geschafft. Im täglichen Leben sind die Eidgenossinnen aber noch weit von Mehrheiten entfernt. Nach den letzten offiziellen Zahlen aus dem Jahr 2000 stellten sie zwar mit 44 Prozent fast die Hälfte aller Erwerbstätigen. In leitenden Positionen sitzen aber nur 15 Prozent.