Volksabstimmung Zyprer unter Zugzwang

"Entweder jetzt oder nie" - lautet die Nachricht an die Zyprer. Die Vereinten Nationen, die USA, die EU - alle wollen die Wiedervereinigung. Ob auch die Zyprer selbst sie wollen, wird die Volksabstimmung in beiden Teilen der Insel zeigen.

Selten zuvor ist in den 30 Jahren des geteilten Zyperns so eindringlich die "historische Chance" für eine Wiedervereinigung beschworen worden wie heute. Die Vereinten Nationen, die USA, die EU - alle wollen sie. Das gilt ebenso, wenn auch mit Bauchschmerzen, für die "Mutterländer" Griechenland und die Türkei, die nach Jahrzehnten der Feindschaft auf Annäherungskurs eingeschwenkt sind. "Entweder jetzt oder nie", lautet die Nachricht an die Zyprer.

Doch wie sehen es die Betroffenen? Wagen sie, die griechischen und die türkischen Zyprer, trotz aller Einwände gegen den von UN-Generalsekretär Kofi Annan gezimmerten Friedensplan den Schritt in eine gemeinsame Zukunft unter dem Dach der EU? Oder siegen die Kräfte der Vergangenheit? Die Volksabstimmung in beiden Teilen der Insel wird es zeigen.

Gespenst der "Enthellenisierung"

Der griechisch-zyprische Präsident, der als Hardliner geltende Tassos Papadopoulos, malt in den letzten Wochen das Gespenst einer "Enthellenisierung" an die Wand. "Papadopoulos will keine Lösung", meint die angesehene zyprische Zeitung "Politis". Andere Kommentatoren fragen jedoch bereits: "Mit welchem Gesicht wird eigentlich Papadopoulos als der Hauptverantwortliche für eine Nicht- Lösung demnächst in Brüssel erscheinen?". Und nicht minder unnachgiebig zeigt sich der Führer der türkischen Zyprer, Rauf Denktasch. Er spricht auf der anderen Seite der Trennungslinie vom "Untergang des Türkentums" auf der Mittelmeerinsel.

Im griechischen Teil deutet alles auf eine massive Ablehnung hin. Umfragen zeigen, dass rund 74 Prozent der griechischen Zyprer mit Nein stimmen werden. Die Umfragen im Norden dagegen zeigen, dass die türkischen Zyprer den EU-Beitritt zum 1. Mai als "Katalysator" für die Lösung aller Probleme sehen und zu rund 60 Prozent Ja stimmen wollen.

Nach Ansicht von Beobachtern sind die griechischen Zyprer nicht ausreichend auf eine Kompromisslösung vorbereitet worden. Sie betrachteten Zypern bislang als "ihre" Insel, eine griechisch geprägte Republik, in der die Türken mit 18 Prozent nur eine Minderheit sind. Laut Annan-Plan sollen sie in eine lose Konföderation zweier Teilstaaten einwilligen, die nur auf internationalem Parkett und in der Währungs- und Wirtschaftspolitik mit einer Stimme sprechen soll. Stufenweise und erst nach langen Übergangszeiten sollen Griechen und Türken Zyperns wieder zusammenleben.

Griechische Zyprer tragen finanzielle Hauptlast

Eine Art Volkszorn brach im griechischen Teil aus, als bekannt wurde, dass die griechischen Zyprer praktisch die Kosten der Wiedervereinigung übernehmen sollen. Eine Vereinigte Republik Zypern soll die Entschädigungsansprüche nach der türkischen Militärintervention 1974 begleichen. Schätzungsweise 160 000 griechische und 40 000 türkische Zyprer hatten damals ihren Besitz im jeweils anderen Teil zurückgelassen und wollen dafür entschädigt werden. "Jetzt sollen wir auch noch die türkische Invasion bezahlen", empörte sich ein Bischof der Orthodoxen Kirche der Insel. Zwangsläufig werden hauptsächlich die Griechen der Insel zahlen müssen, die fast das Vierfache ihrer türkischen Mitbürger verdienen.

Eine entscheidende Frage scheint das Thema der Sicherheit zu sein. Vehement hat sich die griechische Seite gegen den Verbleib von türkischen Truppen auf Zypern gewandt, die zwar erheblich reduziert, aber selbst nach einem möglichen Beitritt der Türkei in die EU fortbestehen soll. Dies sei ein "Blanko-Scheck" an die Türkei, meinte ein Bankdirektor in Nikosia.

Endgültige Teilung gilt als möglich

Aufrufe, der Logik statt Gefühlen bei der Bewertung des Wiedervereinigungsplanes zu folgen, haben einen schweren Stand. Hinweise auf die Folgen eines griechischen Neins fehlen nicht. Eine endgültige Teilung und die schrittweise Anerkennung der "Türkischen Republik Nordzypern" (KKTC) gelten als möglich. Dann würden auch keine Gebiete an die Griechen zurückgegeben, in die 92 000 Flüchtlinge zurückkehren sollen.

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Takis Tsafos und Ingo Bierschwale/DPA