Affäre um Geheimdokumente Vor der Anklage – so bereiten sich Trump-Fans in Miami auf den großen Tag vor

Halten zu Trump: Anhänger des Ex-Präsidenten vor dessen Anwesen in Mar-a-Lago
Halten zu Trump: Anhänger des Ex-Präsidenten vor dessen Anwesen in Mar-a-Lago
© EPA
Am Dienstag wird Donald Trump vor einem Gericht in Miami angeklagt, weil er Geheimdokumente aus dem Weißen Haus mitgenommen hatte. Seine Fans vor Ort haben dazu eine klare Meinung.

"Wir lieben Trump!" Das skandiert eine Anhängerin des früheren Präsidenten wieder und wieder, während sie bei brütender Hitze am Straßenrand auf seine Ankunft wartet. Als es endlich so weit ist, sperren Polizisten die Straße ab. Donald Trump sitzt in einem gepanzerten Fahrzeug, schaut kurz aus dem Fenster mit getönten Scheiben und winkt – dann fährt seine Kolonne durch die Pforte ins Golfresort, das Trump nördlich des Flughafens in Miami betreibt. Ihr Idol erblicken die Trump-Fans nur für wenige Sekunden. Für die kleine Gruppe hat es sich dennoch gelohnt.

Ziemlich genau 24 Stunden bevor Trump zu einer ersten Anhörung vor einem Bundesgericht erscheinen muss, ist der 76-Jährige am Montagnachmittag nach Florida gereist. Vor dem Gerichtsgebäude in der Innenstadt haben sich bereits vor Tagen Kamerateams aus aller Welt aufgestellt. Manche Zeitungen und Fernsehsender bezahlen junge Leute, damit sie in der Warteschlange die ganze Nacht über zum Dienstag ausharren. Wer rein möchte, muss diese Qual über sich ergehen lassen.

Früher gab es solche Schlangen weltweit vor Apple Stores, wenn ein neues iPhone auf den Markt kam – heute kampieren Journalisten oder ihre Mitarbeiter vor Gerichten, um eine historische Anklage gegen einen früheren US-Präsidenten verfolgen zu können. Nur die iPhones, die müssen im Erfolgsfall draußen bleiben.

Es ist die zweite Anklage binnen weniger Monate für Donald Trump – und die erste vor einem Bundesgericht. 90 Prozent der Angeklagten wollen ein solches Verfahren in der Regel vermeiden und räumen ihre Schuld im Vorfeld ein, um ein mildes Urteil zu erreichen. Wer es auf einen Prozess ankommen lässt, wird mit einer Wahrscheinlichkeit von über 80 Prozent verurteilt. Trump wird nun in 37 Punkten angeklagt, manche Vorwürfe fallen unter das Spionagegesetz der Vereinigten Staaten – sehr viel dicker könnte es kaum kommen. Er beteuert seine Unschuld, was auch sonst.

Trump und seine Anhänger erwarten Freispruch

Fünf Minuten vom Gerichtsgebäude entfernt betreibt Henry Suarez eine Werkstatt für Uhren. Er lacht über den Medienzirkus in der Stadt, findet all das "ein wenig verrückt". Wer seinen Laden auf der First Avenue in Miami Downtown betritt, erblickt sofort eine Art Schrein, den Suarez für Trump errichtet hat – eine "Make America Great Again"-Flagge hängt da, T-Shirts aus den Wahlkämpfen 2016 und 2020 und ein Cover des "Miami Herald". "Freispruch" titelte die Regionalzeitung am 6. Februar 2020, da hatte Trump, kurz vor Pandemiebeginn, sein erstes Amtsenthebungsverfahren überstanden.

Trump-Anhänger in Miami
© Marc Etzold

Henry Suarez, 66, (r.) ist Uhrmacher in Miami. Er hat 2016 und 2020 für Trump gestimmt und will es auch diesmal tun. Neben ihm steht sein Sohn, der den Familienbetrieb künftig allein führen soll.

Suarez ist überzeugt, dass Trump auch diesmal freigesprochen wird. Die Anklage gegen den früheren Präsidenten hält er für "Bullshit". Barack Obama, Joe Biden, Bill und Hillary Clinton – sie alle hätten doch ebenfalls einst Geheimdokumente mitgenommen. "Und Trump wird dafür angeklagt?" Für Suarez steckt hinter der Anklage der Versuch, Trump aus dem Rennen um die Präsidentschaft zu nehmen.

Der 66-jährige Uhrmacher wurde einst in Kuba geboren, seine Familie ist vor dem kommunistischen Regime Anfang der 1960er-Jahre in die USA geflohen. Am Morgen hat er bei Fox News gelesen, die Biden-Regierung wolle dem Iran 17 Milliarden US-Dollar überweisen, damit dieser Waffen bei Nordkorea einkaufen könne. Den Bericht gibt es tatsächlich, der Wahrheitsgehalt liegt bei null. Doch eines steht für Suarez fest: Biden sei ein schlechter Präsident, der gegen Amerikas Interessen handelt.

Republikaner sind zerrissen zwischen Trump und DeSantis

Er möchte, dass schnellstmöglich wieder ein Republikaner ins Weiße Haus einzieht. Und hier wird es für Suarez kniffelig. Er findet nämlich nicht nur Donald Trump gut, sondern auch dessen Herausforderer Ron DeSantis, den Gouverneur von Florida. Schließlich habe der ja wahnsinnig viel erreicht: "anti-gay, anti-woke". Homosexuelle Paare sollten sich in der Öffentlichkeit doch bitte zurückhalten und der Kulturkampf gegen links müsse gewonnen werden, so sieht Suarez die Dinge. DeSantis wäre für ihn genau der Richtige, um diese Themen nach Washington zu tragen. Aber bei dieser Wahl will er wieder für Trump stimmen. "Seine Mission ist noch nicht beendet", sagt Suarez. "Ich hoffe einfach, dass Ron DeSantis 2028 noch mal antritt."

Doch die Dinge könnten anders laufen, als es sich Suarez erhofft. Trump kann zwar auch als Angeklagter kandidieren, er könnte sogar aus dem Gefängnis heraus regieren, falls er tatsächlich gewählt wird. Allerdings halten Verfassungsexperten die Anschuldigungen gegen den früheren Präsidenten für substanziell. Es gibt eine Tonbandaufnahme, auf der Trump einräumt, dass er in Besitz eben jener Dokumente ist, die das Justizministerium von ihm zurückgefordert hatte. Trump entschied sich dagegen. In dem Verfahren geht es weniger darum, dass er die Dokumente überhaupt mitgenommen hatte. Das Problem ist, dass er sie behielt und die Ermittlungen gegen ihn sabotierte. Hätte er wie Biden mit den Behörden kooperiert, wäre es wohl nie zur Anklage gekommen.

Michael Gerhardt ist Verfassungsrechtler an der University of North Carolina. Er glaubt, dass die Chancen gut stehen, dass Trump verurteilt werde. "Wissentlich Dokumente zurückzuhalten, die die nationale Sicherheit betreffen, ist eines der schlimmsten Dinge, die man als früherer Präsident tun kann", sagt der Jura-Professor. "Was Trump getan hat, erwartet man sonst von Verrätern und Leuten, die Amerika schaden wollen."

Verräter? Wenn Henry Suarez diesen Begriff hört, entgleiten ihm die Gesichtszüge. "Donald Trump ist kein Verräter", beteuert er. Der frühere Präsident habe doch keine Geheimnisse an fremde Staaten weitergegeben. Nach allem, was bislang bekannt ist, stimmt das. Womöglich hat Trump aber amerikanische Geheimdienste oder US-Soldaten in Gefahr gebracht. In den Unterlagen befanden sich offenbar auch Angriffspläne gegen den Iran – und laut Tonbandaufnahme könnte der Ex-Präsident den Inhalt mancher Dokumente mit Personen ohne Sicherheitsfreigabe geteilt haben.

Was, wenn Trump also tatsächlich verurteilt werden sollte? Suarez denkt nicht lange nach. "Dann geht er in Berufung."