Im Februar haben die griechischen Zyprer einen neuen Präsidenten gewählt. Und unmittelbar nach der Wahl erklärte der Sieger Dimitris Christofias, den ewig währenden Zypernkonflikt so schnell wie möglich beenden zu wollen. Mehrere Treffen mit seinem türkisch-zyprischen Kollegen Mehmet Alit Talat folgten; ganz unmissverständlich teilt er den Traum einer wiedervereinigten Insel. Noch bis Ende des Jahres soll eine Lösung ausgearbeitet werden, so versprechen es zumindest die beiden Volksgruppenchefs. Beim näherem Hinsehen aber ist der ambitionierte Zeitplan für viele unrealistisch.
Nichtsdestotrotz: In einem neuen Anlauf wollen Mehmet Ali Talat und Dimitris Christofias nun über die Zukunft eines neuen Zypern beraten. Eine wiedervereinigte Insel soll künftig aus zwei Föderativstaaten bestehen, wobei mit einer rotierenden Präsidentschaft eine Gleichstellung beider Volksgruppen sichergestellt werden soll. Eine Insel, eine Staatsbürgerschaft und eine Souveränität, so heißt die Grunddevise der Verhandlungen. In einem Referendum sollen dann die Inselbewohner über den Friedensplan abstimmen. In der Vergangenheit scheiterten Gespräche und Annäherungen an Hardlinern auf beiden Seiten der geteilten Insel. Über Jahrzehnte wurde die Politik der Zwei-Staaten-Lösung und des destruktiven Neinsagens verfolgt, oft von beiden Mutterländern angeheizt.
Für den EU- und Zypernexperten Cengiz Aktar von der Istanbuler Bahcesehir Universität ist der Verhandlungsbeginn eine noch nie da gewesene historische Chance. "Vielleicht ist dies das erste Mal seit der Teilung der Insel, dass beide Seiten gleichzeitig Ja zu einer Lösung sagen. Wir befinden uns in einer politischen Atmosphäre, in der die Lösung sehr nah gerückt ist," sagte er stern.de.
An einem Friedensplan für die Insel hat sich die internationale Diplomatie schon oft die Zähne ausgebissen. Mit Aufnahme der Verhandlungen zu einem EU-Beitritt der Republik Zypern erhoffte man sich nicht nur im völkerrechtlich nicht anerkannten Nordteil der Insel ein Ende der politischen und wirtschaftlichen Isolation. Im Jahre 2004, nur eine Woche vor dem EU-Beitritt, stimmten die gesamten Zyprer über den UN-Wiedervereinigungsplan im Referendum ab - den so genannten Annan-Plan.
Während die türkischen Zyprer mit einem klaren Ja votierten, folgten die griechischen Zyprer dem Aufruf ihres damaligen Präsidenten Tassos Papadopoulus und legten mit ihrem Nein jegliche internationale diplomatische Bemühungen lahm. Dabei sollte gerade mit dem EU-Beitritt die Teilung der Insel überwunden werden. Denn rein formal gehört der Norden auch zur Europäischen Union. International wird die türkische Republik Nordzypern nur von der Türkei anerkannt.
Beide Seiten wollen die Wiedervereinigung
Man kann weder Talat noch Christofias ihre Bemühungen um eine Versöhnung absprechen. Beide versuchen, durch Grenzöffnungen die Völker schrittweise einander näher zu bringen. Wie am 4. April, als die Regierungen die Mauer an der berühmten Ledrastraße öffneten. Doch das türkische Militär geriert sich zu oft als Störenfried, missachtet immer wieder Abmachungen und macht so dem obersten Türkenvertreter Talat das Leben schwer. Wie etwa am 25. Juli dieses Jahres, als sich beide Seiten darauf einigten, weitere Grenzübergänge zu öffnen. Darunter auch der Grenzübergang Yesilirmak. Als die Griechischzyprer von dem neuen Recht Gebrauch machen wollten, um wie abgesprochen, im türkischzyprischen Güzelyurt die Messe in der Ayios Mamas Kirche zu besuchen, verwehrte das türkische Militär den Durchgang. Kein gutes Zeichen für die Verhandlungen.
Als 1974 die griechische Militärjunta gegen die Regierung des damals geeinten Zypern putschte und damit den Anschluss an das Mutterland Griechenland erzwingen wollte, schickte die Türkei ihre Truppen in den Nordteil der Insel, um die türkischen Zyprer vor der Invasion zu schützen. Der damalige türkische Ministerpräsident Bülent Ecevit nannte die Besetzung ganz einfach "Friedensbewegung". Seitdem wird der Norden vom türkischen Militär überwacht.
Schätzungsweise um die 30.000 bis 40.000 türkische Soldaten sollen hier stationiert sein. Für die griechischen Zyprer ist der Abbau, besser noch der vollständige Rückzug der türkischen Truppen eine der wichtigen Forderungen im Friedensplan. Nur sitzt das türkische Militär auf der Insel regelrecht fest im Sattel und lenkt neben Talat die Verhandlungsgespräche auf seine Weise. Die kleine Insel im südöstlichen Mittelmeer ist nicht nur ein malerischer Dauerurlaubsort für die dort stationierten Soldaten. Zypern ist für die Türken ein wichtiger strategischer Stützpunkt im östlichen Mittelmeer, auf den man ungern freiwillig verzichtet. Auch wenn Talat es leugnet: Das Militär gefährdet die Friedensgespräche. Für Cengiz Aktar ist eine Lösung des über 34 Jahre währenden Konflikts nur dann ein Erfolg, wenn es keine Einmischung von außen gibt. "Die türkischen Streitkräfte sind eine dritte unsichtbare Kraft und sitzen mit am Verhandlungstisch. Man wird die Anwesenheit des türkischen Militärs immer spüren", sagt er.