Nein, gegen das Etikett der Immer-noch-Linken - dagegen habe sie nichts, sagt Andrea Nahles. Doch andere Bilder, die seit Jahrzehnten über sie kursierten, "die haben mit mir nur wenig zu tun". Um mit solchen Vorurteilen aufzuräumen, auch deswegen habe sie ihr Buch geschrieben, betont die seit vier Wochen amtierende SPD- Generalsekretärin am Donnerstag bei der Vorstellung.
So will die frühere Juso-Chefin sich nicht länger anhängen lassen, sie sei mehrfach als "Königsmörderin" aktiv geworden - etwa um Parteichefs wie Rudolf Scharping oder Franz Müntefering abzusägen. Ihre erste Kandidatur als Generalsekretärin, die den ersten Sturz Münteferings als SPD-Vorsitzender zur Folge hatte, das sei keine "Hinterzimmer-Veranstaltung" gewesen, sagt die 39-Jährige. "Ich nehme für mich in Anspruch, durch die Vorder- und nicht durch die Hintertür zu agieren." "Genau das Gegenteil" habe sich die damalige SPD-Spitze im Sommer 2008 am Schwielowsee geleistet, um Kurt Beck vom SPD-Thron zu stoßen. "Das war menschlich unanständig. Das war so", blickt sie auf dieses SPD-Kapitel zurück.
Auf vielen der 238 Buchseiten gibt sich die Autorin aus der Eifel auch sonst Mühe, von sich selbst ein Bild jenseits der gängigen Klischees zu zeichnen. Von den "68ern" an wichtigen SPD-Schalthebeln, deren "sämtliche Heldengeschichten ich mir 20 Jahre anhören musste", fühlte sie sich schon lange genervt. Zu einstigen Weggefährten geht sie auf deutliche Distanz. Ein "rigides Menschenbild" bei großen Teilen der heutigen Linken bemängelt ihre ehemalige Sprecherin - "den nörgelnden Unterton und den erzieherisch-rechthaberischen Gestus", mit dem gegen die Vorlieben und das Verhalten einfacher Leute hergezogen werde. "Ich sehe mich in der Tradition einer Freiheitslinken", betont die Literaturwissenschaftlerin. So sei es für sie nicht akzeptabel, dass der Staat - wie beim Nichtraucherschutz oder bei der Videoüberwachung - den Bürgern "immer stärker auf die Pelle rückt".
Auch in einem anderen Punkt, ihrer tiefen Verankerung im christlichen Glauben, unterscheidet sich die "Arbeitertochter vom Lande" von ihrem alten Links-Unterstützerlager. "Mein zweiter Vorname ist Maria", darauf weist sie bekennende Katholikin ausdrücklich hin, die schon mit neun Jahren zu Hause in der Eifel als Messdienerin aktiv wurde.
Zum Erstaunen und gelegentlichen Ärger in den eigenen Reihen hat sie ihre christlichen Überzeugungen auch bei Gewissensabstimmungen im Bundestag vertreten, etwa bei der ablehnenden Haltung zur Embryonenforschung oder zu Spätabtreibungen. "Ich selbst glaube an eine göttliche Kraft in unserem Leben. Sie macht uns nicht automatisch glücklich oder unglücklich, sie hilft aber dort, wo die Politik endet", schreibt Nahles in dem Buch, das in einem auf religiöse Themen spezialisierten Verlag erschien. Die "letzten Fragen" des menschlichen Lebens ließen sich aber ohnehin nicht von Politikern lösen.