"Leberwurst"-Eklat "Melnyk verliert seit Wochen zunehmend die Contenance"

Andrij Melnyk, Botschafter der Ukraine in Deutschland
Andrij Melnyk, Botschafter der Ukraine in Deutschland
© Kay Nietfeld / DPA
Ist Olaf Scholz eine "beleidigte Leberwurst"? Der Bundeskanzler gibt sich verstimmt, erteilt einer Reise nach Kiew eine Absage. Der ukrainische Botschafter in Berlin findet dafür deutliche Worte – so auch Kommentatoren.

Für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kommt ein Besuch in Kiew momentan nicht infrage. Der Grund: Die Ausladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier durch die ukrainische Regierung. Das stehe der Sache im Weg, erklärte Scholz am Montagabend in der ZDF-Sendung "Was nun?". Der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, nannte ihn daraufhin eine "beleidigte Leberwurst" (lesen Sie hier mehr dazu).

Ist der Bundeskanzler tatsächlich eine "beleidigte Leberwurst"? Oder überspannt der Botschafter den Bogen? Beides ist zutreffend, kommentieren Medien. Die Pressestimmen.

"Das Dauerfeuer ist einfach nicht angebracht"

"Hannoversche Allgemeine Zeitung": "Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk sollte das betreiben, wofür sein Amt in erster Linie gedacht ist: Diplomatie. Jene, an der es Selenskyj angesichts der dramatischen Umstände gemangelt haben mag. Aber was macht Melnyk? Er nennt den Kanzler der Bundesrepublik Deutschland eine "beleidigte Leberwurst". Das hilft niemandem."

"Neue Osnabrücker Zeitung": "Es ist schon ein starkes Stück, den Regierungschef des Landes, von dem man sich dringend Hilfe erwartet und ja auch bekommt, öffentlich als "beleidigte Leberwurst" zu bezeichnen. (…) Melnyk verliert seit Wochen zunehmend die Contenance. Wofür man angesichts dessen, was seinen Landsleuten widerfährt, viel Verständnis haben kann. Die Frage ist, ob er seinem Land noch hilft, wenn er – wie jetzt – den Bogen völlig überspannt."

"Münchner Merkur": "Ja. Es ist eine Unverschämtheit von Botschafter Melnyk , den Kanzler eine "beleidigte Leberwurst" zu nennen. Aber eine Wahrheit wird nicht dadurch unwahr, dass sie als Grobheit daherkommt. Der Berliner Hofnarr Melnyk spricht aus, was auch unter unseren Verbündeten im Ausland für Kopfschütteln sorgt: Es ist unsouverän von Scholz, seine Außenpolitik von einer diplomatischen Kränkung durch eine Regierung leiten zu lassen, die verzweifelt um das Überleben ihrer Bürger kämpft."

"Schwäbische Zeitung" (Ravensburg): "Wenn der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk über staatsmännisches Verhalten spricht, hat das nahezu etwas Komisches. Denn es gibt weltweit wahrscheinlich keinen Diplomaten, der sich noch weniger diplomatisch ausdrückt als Melnyk. (…) Wenn es ihm nur um die maximale Solidarität für seine Heimat ginge, könnte er auf persönliche Attacken verzichten." 

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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"Rhein-Zeitung" (Koblenz): "Er nennt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier einen Statthalter Putins, der ein Spinnennetz der Kontakte mit Moskau geknüpft habe und Russland als etwas "Heiliges" betrachte. Er sieht die SPD als fünfte Kolonne des Kremls und ruft Rostocker Hafenarbeiter zum Streik gegen die Entladung eines russischen Frachters auf. Jetzt bezeichnet er Kanzler Scholz als "beleidigte Leberwurst", weil er wegen der Ausladung Steinmeiers Kiew nicht besuchen will. So geht man nicht mit Freunden um. Das Dauerfeuer gegen einen der wichtigsten Verbündeten der Ukraine ist einfach nicht angebracht."

DPA · AFP
fs