Olaf Scholz hat eingeräumt, dass einem Besuch in Kiew die Ausladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier durch die ukrainische Regierung im Weg stehe. Dies sei "ein bemerkenswerter Vorgang" gewesen, sagte der Bundeskanzler in der ZDF-Sendung "Was nun?". "Das kann man nicht machen."
Auf die unmissverständliche Aussage des Kanzlers folgte eine deftige Reaktion aus der Ukraine. Ihr Botschafter in Berlin, Andrj Melnyk, nannte Scholz daraufhin eine "beleidigte Leberwurst". Sein vorläufiges Nein klinge "nicht sehr staatsmännisch", es gehe um den "brutalsten Vernichtungskrieg seit dem Nazi-Überfall auf die Ukraine, es ist kein Kindergarten."
Die Botschaft, die der Kanzler damit senden wollte, ist klar: Er lässt sich nicht unter Druck setzen – weder von der ukrainischen Regierung, noch von der Opposition, die ihn abermals zu einer Reise nach Kiew aufforderte. Der CDU-Parteivorsitzende und Unionsfraktionschef Friedrich Merz kommt ihm nun mit einem Besuch in Kiew zuvor.
Doch mit seiner klaren Ansage hat der Kanzler einen Pflock eingeschlagen, der ihn in eine Zwickmühle bringt.
Olaf Scholz, gelähmt oder unter Zugzwang
Scholz hat preisgegeben, wann er in die Ukraine reisen würde – und wann nicht. Die Entscheidung darüber, welcher Fall eintritt, überlässt er praktisch der Ukraine.
Das kann Scholz unter Zugzwang setzen, einerseits: Empfängt die Ukraine den Bundespräsidenten nun doch, muss Scholz folgen – sein Argument, warum er eine Reise vorläufig ablehnt, wäre damit abgeräumt. Würde er sich weiterhin verstimmt geben, und eine Reise dennoch ablehnen, wirkt er tatsächlich wie eine "beleidigte Leberwurst".
Das kann Scholz aber auch lähmen, andererseits: Lehnt die Ukraine weiterhin einen Besuch von Steinmeier ab, muss Scholz warten – weil er hinter seiner Aussage nicht zurückkann. Zumindest nicht, ohne seine Haltung und Prinzipien aufzugeben.
Vor allem letzteres Szenario stellt für Scholz ein Problem dar, denkt man es vom Ende: Während zahlreiche Politikerinnen und Politiker, womöglich Staats- und Regierungschefs nach Kiew reisen, bleibt der beleidigte Bundeskanzler stoisch in Berlin.
Natürlich könnte Scholz die Reise dennoch antreten. Botschafter Melnyk betonte, dass sich der ukrainische Präsident freuen würde, den Kanzler zu empfangen. Doch dann käme Scholz nicht umher einzuräumen, dass die Ausladung von Bundespräsident Steinmeier der Sache zwar im Weg gestanden habe – aber so sehr nun auch wieder nicht.
Das wirkt dann nicht mehr entschlossen, nach einer klaren Haltung oder Prinzipientreue, sondern wie eine Kehrtwende, die aus öffentlichem Druck heraus entstanden ist. Ausgerechnet von dem Kanzler, der abermals betont, wie auch in der ZDF-Sendung: Er gebe nicht jedem nach, der "laut ruft".