Kanzlerschelte Ist die "Letzte Generation" bekloppt? Nein. Aber sie könnte mal etwas für den Klimaschutz tun

Letzte Generation
Der Letzte räumt den Bohrer weg: Die "Letzte Generation" blockiert die Stadtautobahn unweit des Kurfürstendamms in Berlin.
© Paul Zinken / DPA
Gegen die "Letzte Generation" auszuteilen ist angesagt, selbst Kanzler Scholz kann sich einen Seitenhieb nicht verkneifen. Hat er Recht? Eher nicht, aber es gibt viele Dinge, die klimanützlicher sind als sich wegzerren und beleidigen zu lassen.

Wer der "Letzten Generation" auf Twitter folgt, sieht dort orangefarbene Westen und grauen Asphalt, stoische Kleberinnen und rabiate Autofahrer, Bierernstigkeit und Selbstermächtigung. Vor einigen Tagen etwa erklärte Carla Hinrichs, Sprecherin der Klimaschützer, wort- und postingreich, wie oft sie verhaftet wird ("fast täglich"), zu wie vielen Monaten Haft sie verurteilt wurde (zwei) und warum sie sich dennoch weiter auf die Straße klebt ("Zukunft der Menschheit"). An Selbstaufopferungseitelkeit mangelt es nicht – aber sind sie deshalb "bekloppt", wie Kanzler Olaf Scholz sie nun nannte?

Ist die "Letzte Generation" bekloppt?

Ton und Tat beim Klimaschutz sind auf beiden Seiten rau geworden. Aktivistinnen und Aktivisten werden von den Straßen gerissen, sie selbst lassen keine Möglichkeit aus, die Bundesregierung im Allgemeinen und deren Chef im Besonderen vorzuwerfen, gegen die eigenen Gesetze beziehungsweise sogar gegen die Verfassung zu verstoßen. Darunter geht es nicht mehr. Und darüber folgt in der Argumentation der Klimaschützer eigentlich nur noch der Weltuntergang. Nicht morgen oder übermorgen, aber kurz danach.

Ist das bekloppt? Schon ein bisschen. Rechtfertigt die Sorge um die Zukunft Häme durch die Alten und Mächtigen? Eher nicht. Seltsamerweise schafft es ausgerechnet der Klimaschutz, zunehmend Gräben in der Gesellschaft aufzureißen. Studien zeigen, dass das Thema mehr Spaltung erzeugt als Einwanderung oder Coronapolitik. Obwohl die Deutschen mit großer Mehrheit von seiner Wichtigkeit überzeugt sind, trennt das Wie die Fronten umso schärfer. Und ebenso die Frage, wer denn nun anfangen soll aufzuhören mit dem klimaschädlichen Verhalten: Bürger, Politik oder die Wirtschaft?

Ursache und Lösung: wir alle

Dahinter steckt natürlich die Suche nach den Schuldigen. Wobei offenkundig ist, dass wir alle – alt wie jung, mäch- wie ohnmächtig – verantwortlich sind: Die Nachkriegsgeneration mit ihrer Liebe zum Auto, die Boomer, die zu viel Fleisch essen, die Generation X und ihr Drang, überall hinzufliegen, die Millennials, die zu viel bei Amazon shoppen und die Zoomer, die ganz Kraftwerke leerstreamen. Und die Regierenden? Können es, wenn sie nicht eh gerade kopflos umherrennen oder untätig herumsitzen, ohnehin niemanden Recht machen. Siehe Atomkraftausstieg, siehe Heizungsgesetz.

Tatsächlich aber tut ein großer Teil der Klimaschützer weiter so, als seien allein die Herren und Damen in Anzug und Kostüm in der Verantwortung, während der Einzelne und sein Verhalten zum Tabu erklärt werden. Leider stecken hinter all dem Menschen – Ursache und Lösung für diese Probleme. Die also banale Erkenntnis, dass wir alle unseren Hintern hochkriegen müssen, um den Klimawandel zumindest ein wenig zu verlangsamen, hat neulich wieder der "Sachverständigenrat für Umweltfragen" in einem Gutachten herausgehoben. Was bedeutet das für die Berufsalarmisten von der "Letzten Generation"?

Wie wärs mal mit etwas Konkretem?

Vom Klimaschutz überzeugen müssten sie eigentlich niemanden mehr. Statt sich wichtigtuerisch festzukleben und im Zweifel dafür auch noch ins Kittchen zu wandern, ließe sich mit dem ganzen Engagement, der Zeit und dem nötigen Geld tatsächlich etwas tun. Etwas konkretes, etwas, das zum Nach- oder Mitmachen anregt. Was begeistert oder mit dem vielleicht sogar Geld verdienen kann, wenn gewünscht. Moore zum Beispiel gehören zu den effektivsten CO2-Speichern. Warum helfen sie nicht, diese Landschaften zu schützen oder neue Flächen zu erschließen? Sie könnten Restaurants eröffnen, in denen nur Insektengerichte serviert werden. Oder, noch einfacher: Sie bieten Menschen Beratung an, die in ihrem Alltag gerne mehr für den Klimaschutz tun wollen, aber nicht wissen wie. Es gibt vermutlich 3000 Dinge, die hilfreicher sind als sich von Autofahrern wegzerren und von Kanzlern beleidigen zu lassen. Kann man halt nur nicht so mit angeben.