In der Affäre um den verheerenden Luftangriff nahe Kundus hat die Bundesregierung einen Bericht zurückgewiesen, nach dem das Kanzleramt bereits frühzeitig Hinweise auf den Tod zahlreicher Zivilisten gehabt haben soll. Bei der von "Spiegel Online" zitierten E-Mail vom 4. September handle es sich um eine "unverbindliche Erstinfo des BND" mit einer als Anlage übermittelten Nachricht der BBC News, teilte ein Regierungssprecher am Donnerstag mit. Die Mail sei wie auch die weiteren Unterlagen des Kanzleramts zu dem Bombardement bereits dem Kundus-Untersuchungsausschuss übergeben worden.
Die Unterlagen bestätigen nach Angaben des Regierungssprechers die Haltung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), zu keinem Zeitpunkt zivile Opfer auszuschließen und sogleich deutlich zu machen, dass die offizielle Untersuchung der ISAF abgewartet werden müsse. Die zuständigen Mitarbeiter des Kanzleramtes seien "von Beginn an" allen Hinweisen zu dem Luftangriff mit Nachdruck nachgegangen.
"Spiegel Online" hatte zuvor berichtet, die Mail mit detaillierten Angaben über die Zahlen ziviler Opfer sei bereits am Morgen des Angriffs am 4. September im Kanzleramt eingegangen. Der Kundus-Untersuchungsausschuss untersucht unter anderem auch, wie früh das Kanzleramt von Einzelheiten des Luftangriffs wusste. Merkel hatte sich erst vier Tage nach dem Angriff mit bis zu 142 Toten erstmals zu dem Bombardement geäußert.
Am Donnerstag sollte der frühere Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) vor dem Gremium aussagen. Zu dem Bericht von "Spiegel Online" sagte der Grünen-Obmann im Ausschuss Omid Nouripour vor Beginn der Sitzung, sollte das Kanzleramt wegen des Wahlkampfs geschwiegen haben, handele es sich um Vertuschung. "Dann haben wir ein Problem". Der Linken-Verteidigungspolitiker Jan van Aken sagte, es wäre "natürlich Wahlbetrug, wenn die Regierung das von Anfang an gewusst hat". Der Unions-Obmann in dem Gremium, Ernst-Reinhard Beck (CDU), wollte den konkreten Bericht nicht kommentieren. In bisherigen Antworten von Zeugen sei aber festgestellt worden, "dass bereits zu einem frühen Zeitpunkt Infos nach Berlin gingen".