25 Jahre Deutsche Einheit Große stern-Umfrage: Deutschland, wie geht es Dir?

Ein Gastbeitrag von Manfred Güllner, Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa
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Das Volk hat das Wort: Die Deutschen in Ost und West wurden nach ihrer Wiedervereinigungs-Bilanz nach 25 Jahren befragt. Ergebnis: 80 Prozent sind stolz auf ihr Land. Die weiteren Resultate hat der stern grafisch aufbereitet.

Zum 25. Jahrestag der Deutschen Einheit haben wir im Auftrag des stern untersucht, wie die Deutschen sich selbst und ihr Land 25 Jahre nach der Vereinigung der beiden bis dahin getrennten deutschen Staaten sehen. Befragt wurden insgesamt 1 509 über 14 Jahre alte Bundesbürger, 707 in den neuen, 802 in den alten Bundesländern.

25 Prozent aller Bundesbürger sind mit den heutigen Lebensverhältnissen und Lebensbedingungen in Deutschland sehr zufrieden, 57 Prozent zufrieden. Weniger oder gar nicht zufrieden sind 18 Prozent. Weniger zufrieden als der Durchschnitt aller Bundesbürger sind die Ostdeutschen und die Bewohner Nordrhein-Westfalens sowie die über 60-Jährigen und – damit weitgehend korrespondierend – die Rentner, die unteren Bildungs- und Einkommens- schichten und die Anhänger der Linkspartei und vor allem der AfD. Von den Bayern sind deutlich mehr (37 Prozent) mit den Lebensbedingungen sehr zufrieden als von den Bürgern aller anderen Bundesländer.

Am meisten beunruhigt und besorgt zeigen sich die Deutschen von allem, was mit der Zukunft ihrer Kinder und Enkel zusammenhängt, von der sozialen Ungleichheit, die sie empfinden, von der Gefahr der Altersarmut und von den Problemen im europäischen Einigungsprozess. Trotz der Intensität der Berichterstattung zum Thema Flüchtlinge und Zuwanderung fühlen sich durch den aktuellen Zustrom der Flüchtlinge weniger Bundesbürger bedroht als durch die meisten anderen Problembereiche. Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, die jahrelang für die Bundesbürger das größte Problem darstellte, wird derzeit nur noch von relativ wenigen Bürgern als Bedrohung empfunden.

In der Anfangsphase der Etablierung der Demokratie in Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus hatten nur 13 Prozent in der damaligen "Westzone" Vertrauen zu anderen Menschen. Das war das Ergebnis einer Unesco-Studie von 1953. Heute gibt über die Hälfte der Deutschen an, dass man den meisten Menschen vertrauen könne. Ostdeutsche haben weniger Vertrauen zu anderen Menschen als Westdeutsche. Weniger Vertrauen zu anderen Menschen als der Durchschnitt aller Deutschen haben auch die Arbeiter und vor allem die Anhänger der AfD.

Die Wiedervereinigung ist nach Einschätzung der übergroßen Mehrheit der Deutschen alles in allem gut und richtig verlaufen. Dennoch gibt es nach Auffassung relativ vieler Bundesbürger noch größere Mentalitätsunterschiede zwischen "Ossis" und "Wessis". Dass mit Gauck und Merkel zwei Bürger der ehemaligen DDR an der Spitze des wiedervereinten Deutschlands stehen, finden aber so gut wie alle Deutschen in Ordnung. Damit bestätigt sich, dass in erster Linie die Kompetenz sowie die Glaub- und Vertrauenswürdigkeit eines Politikers und nicht dessen Herkunft für die Menschen wichtig ist.

Wie schon im gesamten Zeitraum nach der Wiedervereinigung haben auch 2015 mehr Ostdeutsche den Westteil des Landes besucht als umgekehrt Westdeutsche die neuen Bundesländer. Dass die Mentalität von Ost- und Westdeutschen sich auch heute noch – mehr als es sonst bei Menschen aus unterschiedlichen Regionen der Fall ist – unterscheidet, meint knapp die Hälfte aller Deutschen. Ostdeutsche sehen Mentalitätsunterschiede zwischen "Ossis" und "Wessis" häufiger als Westdeutsche.

Dass Deutschlands Ansehen in der Welt in den vergangenen 25 Jahren besser geworden ist, glaubt die große Mehrheit der Bundesbürger. Nur eine kleine Minderheit meint, das Ansehen des Landes in der Welt hätte sich verschlechtert. Lediglich die Anhänger der AfD sehen das nicht so positiv wie die Deutschen insgesamt.

80 Prozent aller Deutschen meinen, dass man stolz auf sein Heimatland sein könne. Noch häufiger als der Durchschnitt aller Bundesbürger sind die Anhänger der Union und der FDP stolz auf ihr Land. Weniger stolz auf ihr Land als die übrigen Bürger sind die Anhänger der Linkspartei. Obwohl die übergroße Mehrheit der Deutschen meint, man könne auf Deutschland stolz sein, würde immerhin ein Fünftel aller Bundesbürger lieber in einem anderen Land als Deutschland leben. Von den Anhängern der Linkspartei würde sogar über ein Drittel (40 Prozent) lieber im Ausland leben, von den AfD-Anhängern 30 Prozent. 46 Prozent aller Befragten geben an, sie hätten in ihrem Leben schon einmal oder gar mehrfach ihren Beruf gewechselt. Ostdeutsche haben ihren Beruf häufiger gewechselt als Westdeutsche, Befragte mit niedrigen Schulabschlüssen häufiger als Befragte mit Abitur oder Studium. Vor allem Ostdeutsche und Hauptschulabsolventen sind durch die Verhältnisse zu ihrem Berufswechsel gezwungen worden. 1953 waren nach der Unesco-Studie 40 Prozent der Deutschen in der damaligen „Westzone“ mit der Politik des damaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer einverstanden. Heute sind 62 Prozent mit der Politik der amtierenden Bundeskanzlerin Angela Merkel einverstanden.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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