Abwasch der Woche Rein ins Missvergnügen!

Grausamgrau hängt der Himmel über Berlin, Moskau, und der Spaßpartei SPD. Und das Kanzleramt merkelt unbeirrt vor sich hin. Zeit für den Abwasch.

Nur damit keiner sagen kann, wir hätten ihn nicht gewarnt, gleich mal zu den Risiken und Nebenwirkungen unseres heutigen Abwaschs: Achtung, es wird schwer besinnlich diesmal. Es könnte sogar ins leicht Trübselig-Melancholische lappen, mit einem kleinen Schlag ins Philosophische. Wer das nicht verträgt, sollte sich besser auf den letzten Absatz dieses Textes konzentrieren, da geht's um die Spaßpartei SPD. Soweit zur Vorwarnung. Und jetzt rein ins Missvergnügen.

Also: Früher, als die Telefone noch zu Hause auf einem Tischchen standen und Wählscheiben hatten (die Älteren werden sich dunkel erinnern), deutsche Kanzler ernsthaft laut über einen fernsehfreien Tag in der Woche (für alle auf einmal!) sinnierten und man genau wusste, wenn einem auf der Straße ein schwer vor sich hin bramarbasierender und dabei wild gestikulierender Mensch entgegenkam: Aha, der hat einen oder zwei an der Waffel, während man heutzutage schwer rätselt, ob der nur einfach kein Büro oder nebenbei nicht auch noch einen kleinen Hauwech hat und dass man besser die Straßenseite wechseln sollte, wenn da nicht auch schon zwei von der Sorte unterwegs wären, früher also...

...früher nannte man das noch nicht Katastrophe oder Chaos, wenn's mal drei Tage schneite, sondern Winter, und alles andere war Moskau. Das Reich des Bösen, der Kälte und der Finsternis. Oh, ewig Eis und Schnee, Bibbern und Berija, Schlottern und Schikane. Aber selbst in Moskau taute es früher im Frühling - und siehe, das tut es auch noch heute. Warum wir das jetzt schon wieder erzählen? Nun, das ist eine etwas längere Geschichte: Weil der Moskauer Bürgermeister Luschkow nicht nur ein einnehmendes Wesen ist beziehungsweise hat, sondern als alter Leninist gerne weiß, was so los ist in seiner Stadt und deshalb - Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser - Straßen und Hauseingänge mit 80.000 Kameras (nur echt mit vier Nullen!) überwachen ließ. Nur war auf einem nicht unerheblichen Teil der Bilder, die auf den Schirmen der Polizei liefen, immer Mai. Kein Schnee, kein Matsch, kein Trübsinn nirgends. Und offenbar auch weder Mord noch Totschlag oder Handtaschenraub. Im November nicht, im Dezember nicht, auch nicht im Januar, als dann doch endlich mal jemand stutzig wurde und merkte, dass die zuständige Firma aus Kostengründen immer dieselben Monate alten Aufnahmen sendete. Ach, Moskau! Ewiger Frieden, ewiger Frühling! Wir fragen uns nur, warum die, äh, Sicherheitskräfte das erst so spät bemerkten? War's Wodka? Oder weil daheim in der Kiste auch immer nur Wiederholungen laufen? Weil sie wissen, das man nicht allem trauen darf, was man so sieht, denn, so lehrte uns der große deutsche Denker Helmut K.: "Die Wirklichkeit ist manchmal anders als die Realität." Weil früher doch nicht alles besser war? Oder einfach nur weil: Arschleck?

Rätselhafter Russe, bewundernswertes Volk! Könnten die nicht einfach auch die Sache mit den Nacktscannern übernehmen?

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Eh's uns aber doch noch warm um Herz und Hirnkastel wird, zurück in die Heimat. Grausamgrau hängt der Himmel seit Tagen über Berlin, träge treiben Eisschollen mit der Spree, schwer lastet der Schnee auf der Stadt, und drüben, im Kanzleramt, merkelt unbeirrt von den Stürmchen im CDU-Wasserglas die Regierungschefin vor sich hin. Fragt sich wahrscheinlich wie wir, was der große Kritiker Peter "Die See rast" Müller mit dem eingeforderten "CDU pur" wohl meinen könnte: etwa die Schulpolitik, die er im Saarland bis zur Wahl im September gemacht hat, oder jene, die er seither als Oberjamaikaner macht und die derart anders ist, dass selbst der gemeine Moskauer Bildschirmwächter denken könnte, da läuft der falsche Film. Wuschelt ihrem Koalitionspartner verbal auf ihre Weise durchs gezauste Haupthaar: Ruhig, Gelber, "ich stelle die Steuerstrukturreform nicht infrage". Kuschelt ihre Kritiker nieder und erklärt ihnen ihre Art der Führung so: "Einer meiner Vorgänger hat ja mal gesagt, entscheidend ist was hinten raus kommt, und nicht, wie man es erreicht hat. Und diesem Motto fühle ich mich verpflichtet, obwohl es ein männliches Wesen war."

Was das nun wieder bedeutet? Erstmal, dass nicht nur in der Zahlenwelt manchmal entscheidend ist, was hinter dem Komma steht. Und schließlich, je nach Gusto: Das Ziel ist das Ziel, das Runde muss ins Eckige, das Kreuz in den richtigen Kreis. Und vor allem: Den Schlapp, äh, Kerlen hab ich's wieder mal gezeigt! Demnächst ordert sie beim Italiener wahrscheinlich auch noch große Portionen Carbonara.

Die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter - und ewig frohlockt das Weib.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

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Und nach soviel Kohl wollen wir doch noch einen anderen Lieblingsphilosophen heranziehen. Es gebe kein richtiges Leben im Falschen? Ha, von wegen. Man muss sich nur mal die Sozialdemokraten in diesen Tagen betrachten. Die werden zwar immer noch angeführt vom großen Oppositionsführer Steinmeier, für den der Adorno doch wohl eher gilt. Dafür haben sie nicht mehr unter der lästigen Regierungsverantwortung zu leiden. Am Ende hatten sie ja nichts mehr zu verlieren als ihre Hals- und Fussketten, mit denen sie sich an Angela Merkel gefesselt fühlten. Auf dem diesjährigen Neujahrsempfang der SPD-Bundestagsfraktion war die Stimmung jedenfalls, wie sollen wir sagen?, deutlich mehr Sonnendeck als Maschinenraum. Endlich frei. Soviel zum Thema Opposition ist Mist. Schöner Mist.

Aber vielleicht gilt auch nur die alte Weisheit: Wenn man schon in der Jauche steht - fröhlich stinkt besser!