Tritt die FDP mit mehreren ungültigen Landeslisten bei der Bundestagswahl an? Mit diesem Vorwurf müssen sich die Liberalen nur knapp vier Wochen vor dem Urnengang auseinandersetzen. Laut Medienberichten hatte ein Parteimitglied bei mehreren Landeswahlleitern Beschwerde eingereicht.
FDP-Mitglied bemängelt "nicht geheime" Wahl
Zunächst hatte "Table Media" über den Vorgang berichtet. Dem Online-Medium zufolge hatte ein Mitglied am Montag gegen die Aufstellungsverfahren in 14 Landesverbänden Beschwerde eingelegt. Lediglich Berlin und Niedersachsen waren nicht betroffen.
Der Vorwurf: Bei den Parteitagen der anderen Landesverbänden sollen die Delegierten keine vorgefertigten Stimmzettel mit Ankreuzmöglichkeit ausgehändigt bekommen haben. Stattdessen mussten sie handschriftlich auf den Zetteln "ja", "nein" oder "Enthaltung" bei der Abstimmung über die jeweiligen Kandidaten notieren. Dadurch aber könnten sie theoretisch identifizierbar sein.
Der Beschwerdeführer bemängelte zusätzlich, dass die Delegierten eng beieinander gesessen hätten und auch dies die Vorschrift einer geheimen Wahl verletzt habe.
Die FDP wies die Vorwürfe zurück. Generalsekretär Marco Buschmann schrieb auf dem Kurznachrichtendienst X: "Täuschung und Lüge sind überall. Das gilt auch für Falschbehauptungen zu FDP-Landeslisten. Unser Justiziar hat sie geprüft und sagt, dass es nichts zu beanstanden gibt. Lasst Euch nicht irritieren!"
Parteienrechtler sind uneins
Experten sehen das differenzierter. "Ich glaube, an den Beanstandungen ist nichts dran", sagt der Parteienrechtler Martin Morlok. Natürlich sei es besser, wenn Wahlkabinen und vorgedruckte Stimmzettel benutzt würden: "Aber man darf Anforderungen an eine Partei nicht überspannen, zumal sie ja auch für Kreisparteitage anwendbar sein müssen." Morlok geht davon aus, dass die Praxis der Abstimmungen ohne Wahlkabinen und ohne vorgedruckte Stimmzettel daher bei einer juristischen Überprüfung akzeptiert würde: "Ganz allgemein gilt, dass man Parteien nicht zu strenge Auflagen machen darf. Parteileben muss auch noch handhabbar sein."
Anders schätzt der Kölner Rechtsanwalt und Parteienrechtler Sebastian Roßner den Vorgang ein. "Für die Beurteilung, ob die Wahl geheim war, gilt ein strengerer Maßstab als bei sonstigen Wahlen innerhalb einer Partei, etwa zum Parteivorstand, denn es handelt sich um einen wichtigen Schritt bei der Vorbereitung der Bundestagswahl", sagte er dem stern. Daher seien die Vorgänge bei einigen Aufstellungsversammlungen, wenn sie so stattgefunden haben, "kritisch zu beurteilen": "Wenn der Name des bevorzugten Kandidaten von den Mitgliedern der Aufstellungsversammlung von Hand auf einen Zettel geschrieben werden muss, liegt eventuell genug handschriftliches Material vor, um das jeweilige Mitglied zu identifizieren, zumal über die Anwesenheitslisten meist Vergleichsmaterial vorliegt."

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Auch könnte ein solches Verfahren bereits eine "Vorwirkung" erzeugen: "Man weiß als Mitglied der Aufstellungsversammlung, dass man eventuell identifiziert werden könnte und richtet sein Wahlverhalten vielleicht entsprechend aus."
Würden die jeweiligen Landeswahlleitungen den Beanstandungen stattgeben, könnte die Partei den Bundeswahlausschuss anrufen. Schlimmstenfalls droht der FDP die Nichtzulassung von Landeslisten zur Bundestagswahl.
In der Vergangenheit ist dies bereits vorgekommen. So durften die Saar-Grünen bei der Bundestagswahl 2021 nicht mit einer Landesliste antreten, weil bei der Aufstellung nach Ansicht des Bundeswahlausschusses schwere Wahlfehler begangen wurden.