Gregor Gysi schlägt in seinem neuen Buch "Was nun? Über Deutschlands Zustand und meinem eigenen" einen gewagten Bogen: Von seinem Ausflug in die Berliner Landespolitik über den Niedergang der PDS gelangt er zu Ratschlägen an die FDP, wie sie wieder eine liberale Partei werden kann. Sozialismus-Theorien beschäftigen ihn ebenso wie die anstehenden Sozialreformen oder die künftige Rolle der Vereinten Nationen, schließlich auch seine Autorenschaft für Blätter wie "Super-Illu" oder "Berliner Kurier". Das Buch ist also wieder ein "echter Gysi", assoziationsreich, unterhaltsam, allerdings Ziel und Motivation des Buches bleiben unklar.
Was der zurückgetretene Berliner Wirtschaftssenator und PDS-Bundestags-Fraktionschef auf 250 Seiten zusammenbringt, hat keinen logischen Zusammenhang.
Gysi plaudert - mit sich selbst
Gysi schreibt wieder einmal am liebsten über sich selbst. Launig und mit den entsprechenden Anekdoten gewürzt schildert der Ex-Wirtschaftssenator wider Willen die Mühen der Regierungsverantwortung. Nach halbjährigem "Genuss" des Abgeordnetenhauses hat sich eine vorherige Befürchtung bestätigt: "Das Parlament mutet eher provinziell an."
Wenig Erkenntnisse
Neues oder Hintergründiges erfahren Leser über die Landespolitik kaum. Gysi gefällt sich vor allem in der Rolle, trotz eingestandener Inkompetenz in Wirtschaftsfragen auf knapp 50 Seiten seine unermüdlichen Aktivitäten als Senator und die angeschobenen Investitionserfolge aufzulisten. Überhaupt gibt es anscheinend wenig, was dem nach eigenen Worten eitlen Politiker nicht gelungen ist.
Die Niederungen der Landespolitik mit langatmigen Gremien-, Senats- und Parlamentssitzungen waren und blieben dem langjährigen Bundespolitiker fremd. So schreibt Gysi fast jeden Namen der Politiker aus der zweiten Reihe Berlins falsch.
Fakten zum Buch
Gregor Gysi
Was nun? Über Deutschlands Zustand und meinen eigenen, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg, 250 S., Euro 18,90, ISBN 3-455- 09369-8.
Am 20. Juni wird das Buch in einer Laudatio von SPD-Generalsekretär Olaf Scholz vorgestellt.
Nur an der eigenen Partei - der PDS - beißt sich der 55-Jährige die Zähne aus. Auch sie ist ihm etwas fremd geworden, seit er im Oktober 2000 aus der ersten Reihe abtrat. So deutlich wie selten singt Gysi in seinem neuem Buch durchweg ein Lob auf die Sozialdemokratie. In Fragen wie der in der PDS umstrittenen Auseinandersetzung mit der SED-Vergangenheit, der vorausgegangenen Zwangsvereinigung von SPD und KPD sowie den Kämpfen zwischen KPD und SPD in der Weimarer Republik schneidet die SPD durchweg positiver ab. "Es ist und bleibt eine Tatsache, dass Sozialdemokraten von an der Macht befindlichen kommunistischen Parteien sehr viel schärfer verfolgt und unterdrückt wurden, als dies umgekehrt je der Fall war."
PDS hat "Erotik verloren"
Der Auseinandersetzung mit den von ihm bekämpften Dogmatikern in der PDS widmet Gysi ein ganzes Kapitel. Scharf grenzt er seinen Begriff von demokratischem Sozialismus, den er als erster SED-PDS-Chef prägte, von der dogmatischen Linken ab. Den Dogmatikern in der PDS schreibt Gysi ins Stammbuch, dass sie - einmal an der Macht - mit allen Unterdrückungsmethoden einen Machtwechsel verhindern wollen. Die Zukunft seiner Partei beurteilt der Politstar skeptisch. Die Partei werde es "nicht dauerhaft verkraften, zwei Parteien unter einem Dach zu beherbergen". Durch die Machtkämpfe zwischen Traditionalisten und Reformern hat die PDS "ihre Erotik verloren". Sie habe nur "eine Chance - mehr noch nicht".
Lob für SPD
An mehreren Stellen zeigt Gysi Respekt vor Bundeskanzler Gerhard Schröder, vor allem für seine "mutige Entscheidung" im Irak-Krieg, den USA die Stirn zu bieten. Spekulationen, er wolle in die SPD wechseln, verweist er jedoch ins Reich der Fantasie.