Babyleichen-Prozess "Durchdacht getötet"

Fast neun Monate nach dem Fund von neun Babyleichen in Brieskow-Finkenheerd wurde der Prozess fortgesetzt. Die Staatsanwaltschaft hat eine lebenslange Freiheitsstrafe gefordert. Die Verteidigung hingegen plädiert auf dreieinhalb Jahre Haft.

Die Staatsanwaltschaft hat für die Mutter der neun toten Babys von Brieskow-Finkenheerd in Brandenburg eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen achtfachen Mordes gefordert. Die 40-Jährige habe "serienhaft" und routinemäßig acht lebend geborene Kinder "durchdacht getötet", sagte Staatsanwältin Anette Bargenda vor dem Landgericht Frankfurt (Oder). Sie beantragte zudem die Anerkennung der besonderen Schwere der Schuld. Sollte das Gericht diesem Antrag folgen, wäre eine Aussetzung der lebenslangen Haftstrafe zur Bewährung nach 15 Jahren nicht möglich.

Ein Fall ist verjährt. Die Verteidigung plädierte dagegen auf dreieinhalb Jahre Haft wegen eines Totschlags. Für weitere Taten gibt es aus ihrer Sicht keine ausreichenden Beweise. Nach den Plädoyers erklärte die Angeklagte in einem Schlusswort, dass sie sich den Ausführungen ihres Anwalts anschließe. Während des Prozesses hatte sie geschwiegen.

Mord durch Unterlassen

Die Frau ist wegen achtfachen Totschlags angeklagt. Laut Anklage soll die 13fache Mutter ohne fremde Hilfe zwischen 1992 und 1998 acht Kinder entbunden und unversorgt liegen gelassen haben, bis sie starben. Dies wertete die Staatsanwältin als Mord durch Unterlassen. Sie wies darauf hin, dass die Angeklagte immer die Möglichkeit gehabt habe, Hilfe zu holen. Sie habe sich aber jedes Mal entschlossen, schon die Schwangerschaften zu verheimlichen, um die Babys unbemerkt töten zu können. Sabine H. hatte angegeben, sich beim Einsetzen der Wehen jeweils betrunken zu haben und sich deshalb nicht mehr an Details erinnern zu können. Die Staatsanwältin bezeichnete dies als nicht glaubhaft, da die Angeklagte in jedem der Fälle unbemerkt das Kind gebären, es töten sowie Leiche und Spuren beseitigen musste. "Dazu wäre sie im Vollrausch nicht in der Lage gewesen", sagte Bargenda.

Die verwesten Babyleichen waren Ende Juli 2005 auf einem verwilderten Grundstück im brandenburgischen Ort Brieskow-Finkenheerd nahe Frankfurt entdeckt worden. Die Mutter hatte nach eigenen Angaben die sterblichen Überreste der Neugeborenen in erdgefüllten Gefäßen vergraben.

Verurteilung wegen Mordes nicht zu erwarten

Das Gericht hatte die ursprüngliche Anklage der Staatsanwaltschaft wegen Mordes nicht zur Hauptverhandlung zugelassen. Nach Angaben eines Gerichtssprechers ist eine Verurteilung der Angeklagten wegen Mordes zum derzeitigen Stand nicht zu erwarten. Wenn das Gericht noch vor dem Urteil zu der Überzeugung käme, dass eine Verurteilung wegen Mordes in Frage käme, dann müsste die Kammer einen entsprechenden rechtlichen Hinweis geben. Für diesen Fall kündigte Verteidiger Matthias Schöneburg an, eine Aussetzung des Verfahrens zu beantragen.

Die Entdeckung der neun toten Babys in Brandenburg hatte im Vorjahr bundesweit für Aufsehen gesorgt. Für Donnerstag ist das Urteil geplant.

AP · DPA · Reuters
DPA/Reuters/AP