Unentschlossene Wähler können für die Bundestagswahl Entscheidungshilfen wie den Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung nutzen. Sie beziehen dabei Stellung und beantworten Fragen zu politischen und gesellschaftlichen Themen und erhalten am Ende einen prozentualen Abgleich der eigenen Meinung mit den Positionen der Parteien. So erspart man sich Zeit und Mühe, die es bräuchte, um die teils sehr langen Parteiprogramme durchzulesen.
Im Alltag verwenden zudem immer mehr Menschen KI-Sprachmodelle, um Informationen zu beschaffen und sich auf dieser Basis zu entscheiden. Aber sind Chatbots wie ChatGPT und Deepseek auch für die politische Entscheidungsfindung sinnvoll? Und vor allem: Wie unabhängig sind sie? Diesen Fragen geht eine Studie der Technischen Universität Darmstadt nach. Dafür ließen die Forscher Wahl-O-Mat-Fragen von verschiedenen KI-Sprachmodellen beantworten – und konnten eine eindeutige Tendenz feststellen.
KI tendiert bei Bundestagswahl zu linken und grünen Positionen
In einem Gastbeitrag der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" berichten die Studienleiter Oliver Vetter und Peter Buxmann von ihrer Untersuchung, in der sie die Anwendungen ChatGPT von OpenAI, Gemini von Google, Claude von Anthorpic, Deepseek-R1 von Deepseek und Grok von xAI miteinander verglichen. Die Forscher fragten die Sprachmodelle, "wie sie zu den 38 Thesen des Wahl-O-Mats stehen und welche Antwortmöglichkeiten 'stimme zu', 'neutral', oder 'stimme nicht zu' sie für jede einzelne These auswählen." Für die Auswertung verwendeten die Wissenschaftler das gleiche Punkteprinzip wie der Wahl-O-Mat.
"Die Ergebnisse zeigen, dass alle untersuchten Sprachmodelle tendenziell eine Präferenz für grüne oder linke Positionen aufweisen", heißt es in Vetters und Buxmanns Bericht. "Die höchste Zustimmung erhielten Ansichten, die von der SPD oder den Grünen vertreten werden, gefolgt von denen der Linken." CDU und FDP seien im Mittelfeld gelandet und die AfD habe am wenigsten Zustimmung bekommen – das treffe auch für das chinesische Deepseek und Grok, die von Elon Musks Plattform X verwendete KI, zu.
Bei den einzelnen Themen ließen sich Parallelen zwischen den Sprachmodellen beobachten, wie die Studienleiter weiter berichten. Etwa bei ökologischen Fragen: Alle Modelle seien uneingeschränkt für den weiteren Ausbau von erneuerbaren Energien gewesen und hätten beim Ausbau der Infrastruktur eindeutig die Schiene der Straße vorgezogen. Die Forscher stellten außerdem fest, dass die KI-Ansichten teilweise davon abhängig waren, ob die Fragen auf Deutsch oder auf Englisch gestellt wurden: "Spannend: Eine automatisierte Gesichtserkennung lehnt DeepSeek-R1 auf Deutsch beispielsweise ab, in englischer Sprache wird sie dagegen befürwortet."
Vor dem Hintergrund ihrer Studie rufen Vetter und Buxmann dazu auf, KI-generierte Inhalte kritisch zu hinterfragen. Sie nehmen dabei auch die Hersteller und die Politik in die Verantwortung, damit KI "nicht zum Verstärker einseitiger Narrative wird". Dass der Markt derzeit und womöglich auch in Zukunft von US-amerikanischen und chinesischen Anbietern dominiert wird, stelle Europa vor große Herausforderungen.