Immer mal wieder wird auf Facebook das Foto eines Pfandrings in meine Timeline gespült. Pfandringe, das sind Vorrichtungen mit runden Öffnungen für Pfandflaschen, die in verschiedenen deutschen Städten um Abfalleimer befestigt werden. So können Passanten, die ihre Pfandflasche loswerden wollen, diese darin abstellen, statt sie in den Müll zu werfen. Und bedürftige Flaschensammler, die auf die paar Cents für einen Beutel Pfandflaschen angewiesen sind, müssen nicht im Mülleimer wühlen.
"Eine tolle Idee", lese ich jedes Mal hundertfach unter solchen Postings in der Kommentarspalte. "Warum gibt es das nicht überall?" Der Ton wird dann schnell fordernd. "Eine tolle Idee", dachte auch ich – vor ein paar Jahren. Bevor das Projekt in Hamburg, wo ich lebe, umgesetzt wurde. Schon nach ein paar Wochen sah man überall, warum nicht jede Stadt sofort überzeugt von diesem an sich ganz tollen Projekt ist. In den Öffnungen der Pfandringe steckten nämlich keine leeren Flaschen – sondern Einweg-Kaffeebecher, zerknüllte Zeitungen oder Fast-Food-Verpackungen. Für das, was eigentlich dort hineingehörte, war so kein Platz mehr. Pfandflaschen wurden wieder in den Abfalleimer geworfen, oder daneben auf den Boden gestellt. Bei Plastikflaschen eine semigute Lösung, weil die nächste Windböe bestimmt kommt.
Es würde nur zwei Sekunden länger dauern, Müll im Abfalleimer zu entsorgen
Offenbar ist es für Passanten, die ja immer irgendwie in Eile zu sein scheinen, leichter, ihren Müll in so einen Pfandring zu stopfen, anstatt sich die (wenige!) Mühe zu machen, in die Öffnung des direkt darüber befindlichen Mülleimers zu zielen. Oder, na gut, bei den etwas umständlicheren Modellen eine Klappe zu öffnen. Nicht zwei Sekunden scheinen die Menschen darüber nachzudenken, dass sie damit eine sehr gute Idee zerstören. Vielen, speziell Kindern und Teenagern, ist vielleicht nicht ganz klar, wozu die Ringe dienen – aber jeder halbwegs informierte Erwachsene dürfte doch inzwischen davon gehört haben.
In Köln, Osnabrück, Karlsruhe oder Hannover ist das Projekt deshalb gescheitert. Die niedersächsische Stadt Hildesheim beendete einen Test Ende Januar aus demselben Grund nach wenigen Monaten wieder. "Weil die Pfandringe zum Entsorgen von To-Go-Bechern zweckentfremdet werden, baut die Stadt die Behältnisse am Bahnhof nun wieder ab", berichtet die "Hildesheimer Allgemeine". Es ist zum Haareraufen.
Natürlich kann man argumentieren, dass offenbar das Design von wahlweise Abfalleimern oder Pfandringen nicht perfekt ist, wenn die Menschen beides nicht im Sinne des Erfinders nutzen. Dazu kommt, dass die Politik in vielen Städten ohnehin unsicher ist, was sie von Pfandringen halten soll, da ihre Einführung einem Geständnis gleichkäme, dass in der entsprechenden Stadt tatsächlich Menschen leben, die so arm sind, dass sie sich darüber freuen würden. Auch die Stadtreinigung ist vielerorts skeptisch, da die Erfahrungen aus einigen Städten besagen, Pfandringe würden eher zu mehr als zu weniger Abfall in den Straßen führen.
Das Problem ist nicht die Politik, das Problem sind wir
Aber wenn man all das beiseite lässt und einfach darauf schaut, warum das Projekt Pfandring in vielen Städten scheitert, wenn es alle politischen Hürden genommen hat und tatsächlich eingeführt wurde – dann scheitert es an uns. Nicht nur an ein paar Halbstarken, nicht nur an jemandem, der es wirklich eilig hat (Frau bekommt Baby, Bombe mit Zeitzünder muss entschärft werden etc.), sondern an einer großen, großen Zahl Menschen. Menschen, denen die Bedürftigen offenbar herzlich egal sind, oder die, wenn sie schnell ihren Abfall entsorgen wollen, einfach irritierend faul sind. Wenn die Ringe permanent mit Müll verstopft sind, verlieren sie jeglichen Sinn. Dann werden sie zu einer trostlosen Parodie des guten Zwecks, für den sie mal gedacht waren.
"Warum gibt's das nicht überall?", steht in den Kommentaren unter den begeisterten Facebookpostings. Die Antwort ist niederschmetternd: unseretwegen. Die Idee ist gut, aber die Menschheit nicht bereit. Schade.