Delmenhorst Nazi-Hotel ist weniger wert

Überraschende Wende im Hotel-Streit in Delmenhorst: Das Gebäude ist viel weniger wert, als der Neonazi-Anwalt Rieger bietet. Die Stadt strebt nun neue Verhandlungen mit dem Besitzer an, sagte der Stadtsprecher stern.de.

Das umstrittene Hotel im niedersächsischen Delmenhorst ist nur 1.3 Millionen Euro wert. Dieser Verkehrswert für das seit 14 Monaten leer stehende Hotel sei durch ein Wertgutachten ermittelt worden, teilte die Stadt jetzt mit. Der Besitzer verlangt aber 3,4 Millionen Euro für den Bau, wie sie der rechtsextreme Anwalt Jürgen Rieger geboten haben soll. Rieger hatte angekündigt, dass Hotel als Schulungszentrum und auch für NPD-Parteitage nutzen zu wollen. Seit Wochen wird in Delmenhorst gegen diesen Plan protestiert. Eine Bürgerinitiative hat bisher 860.000 Euro Spenden für ein Gegenangebot gesammelt.

Gemischte Gefühle im Rathaus

Bei der Stadt Delmenhorst sind die Neuigkeiten auf gemischte Gefühle gestoßen. Denn sie darf aus ihrem Haushalt nur die Summe für den Verkehrswert zahlen. Mit den gesammelten Spenden könnte sie derzeit insgesamt nur rund 2,2 Millionen Euro bieten. "Für die Verhandlungen wäre es sicher einfacher gewesen, wenn die Schätzung höher ausgefallen wäre. Die Finanzierungslücke wäre dann kleiner gewesen. Aber auf der anderen Seite ist Delmenhorst hochdefizitär", sagte Stadtsprecher Timo Frers stern.de. Trotzdem gebe es laut Frers für die Stadt noch die Möglichkeit, einen Aufschlag von bis zu 20 Prozent zu zahlen, weil das Hotel in einem Sanierungsgebiet steht. "Zusammen mit den Spenden liegen wir dann bei rund 2,5 Millionen Euro. Dann hätten wir aber unsere Mittel maximal ausgereizt."

Frers kündigte an, dass die Stadt in den kommenden Tagen Verhandlungen mit dem Hotelier aufnehmen will. "Wir sind optimistisch, dass er von seiner Forderung runtergeht." Ob der Gegenspieler der Stadt, Anwalt Rieger, trotz des Gutachtens sein ursprüngliches Angebot aufrechterhalten will, sei ihm nicht bekannt, sagte Frers.

Oberbürgermeister Carsten Schwettmann rief eindringlich zu weiteren Spenden auf. Der Hotelier hatte schon lang einen Käufer für den Bau gesucht. Ende Juli war dann das angebliche Angebot Riegers bekannt geworden. Daraufhin sicherte sich die Stadt ein Vorkaufsrecht, eine Bürgerinitiative begann mit der Spendensammlung.

Kurzfristig schreckte nun der Hotelbesitzer die Öffentlichkeit mit dem Plan auf, das Hotel an Rieger zu verschenken. Dann machte die Stadt über einen Vermittler offiziell ein Kaufangebot, für dessen Ausformulierung aber erst das Wertgutachten erstellt werden musste.

Weitere Interessenten für das Hotel

Der stern hatte berichtet, Rieger habe seit Anfang August knapp 50 weitere Angebote von Immobilienverkäufern bekommen. Unter den Offerten sind nach Jürgen Riegers Angaben ein Hotel in München, ein ehemaliges Bundeswehr-Casino und ein "Müttergenesungswerk aus dem Dritten Reich". Medienberichten zufolge könnte das Angebot von Rieger auch ein Trick sein, um den Preis für das Hotel in die Höhe zu treiben. Die Stadt bestreitet jedoch diese Berichte.

AP
mta/AP