Geht da noch was? Die SPD fährt derzeit alle Geschütze auf, um ihre missliche Ausgangslage noch zu drehen. In einem Spot lässt sie Partei-Urgestein Franz Müntefering wortreich ausbreiten, warum Friedrich Merz völlig ungeeignet als Regierungschef sei, in einem anderen Clip wird der Kanzlerstuhl als Sitzmöbel von besonderer Machtfülle inszeniert, das zum Wohle des Landes niemals mit dem Hosenboden des Unions-Kandidaten in Berührung kommen sollte.
Olaf Scholz wählen, Friedrich Merz verhindern – das ist eine der zentralen Botschaften der SPD-Kampagne. Bisher ist diese Strategie nur nicht sonderlich erfolgreich gewesen.
Ins TV-Duell von ARD und ZDF am Sonntagabend (ab 20.15 Uhr) geht der Herausforderer zumindest als klarer Umfrage-Favorit. Die Union von Oppositionsführer Friedrich Merz liegt in den meisten Erhebungen weiter deutlich vor der SPD von Kanzler Olaf Scholz. Wer wird sich beim Zweikampf im Fernsehen besser schlagen? Auch hier hat der Amtsinhaber in vorauseilender Erwartung das Nachsehen, nur 14 Prozent wähnen Scholz in der Vorhand, mehr als doppelt so viele Merz (34 Prozent). Die allermeisten (41 Prozent) erwarten jedoch gar keinen Unterschied.
Ist der Zweikampf keiner, weil dieser schon längst entschieden ist?
Olaf Scholz gegen Friedrich Merz
Diesen leisen Verdacht gilt es insbesondere aus Sicht von Olaf Scholz zu zerstreuen, bestenfalls lässt er ihn gar nicht erst aufkommen. Der Kanzler dürfte sich als, tja, Kanzler unter den Kandidaten inszenieren und versuchen, Merz als unseriösen und erratischen Solitär hinzustellen, dem man das Land in herausfordernden Zeiten nicht anvertrauen dürfe.
Ob Scholz dabei den Staatsmann gibt oder auf Attacke schaltet, bleibt abzuwarten. So oder so dürfte sein Ziel sein, vor Millionenpublikum einen Wirkungstreffer gegen Merz zu landen. Bisher vermochten weder der Kampf gegen rechts, sein besonnener Kurs im Ukraine-Krieg oder Widerspruch gegen das breitbeinige Gebaren des US-Präsidenten Donald Trump für den SPD-Kanzler zu mobilisieren.
Das dürfte auch Friedrich Merz wissen. Der Unions-Kandidat geht gestärkt ins TV-Duell. Seine riskante Entscheidung, im Bundestag eine Mehrheit mit AfD und FDP zuzulassen, hat der CDU zwar keinen enormen Schub in den Umfragen beschert, aber auch keine herben Verluste: Die polarisierende Migrationsdebatte zeigt kaum Einfluss auf die Umfragen. Je nach Erhebung rangiert die Union weiter zwischen 28 und 31 Prozent, die SPD zwischen 15 und 18 Prozent. Im ARD-"Deutschlandtrend" legte Merz sogar bei der Zufriedenheit zu (plus 4 Prozent), im ZDF-"Politbarometer" bei der Kanzlerfrage (plus 2 Prozent) – während Scholz bei beiden Fragen Federn ließ.
Merz dürfte sich daher in seiner Strategie bestätigt sehen. Er wird Scholz voraussichtlich vorhalten, in der Migrations- und Wirtschaftspolitik versagt zu haben, ihn als Regierungschef der zerbrochenen Ampel-Koalition als gescheitert darzustellen – und sich selbst als Change-Kandidat, der das Land wieder auf Kurs bringe.
Trotzdem werden die nächsten 14 Tage auch für Merz kein Selbstläufer, nicht zuletzt die Kanzlerpartei lauert auf Fehler, die sie zu ihrem eigenen Vorteil ausschlachten kann. Jeder kleinste Lapsus im TV-Duell dürfte der SPD-Kampagne zur Zitatkachel für die sozialen Netzwerke gereichen. Der Unions-Kandidat steht unter Beobachtung, auf den letzten Metern des kurzen Winterwahlkampfs unter enormen Druck. Verliert er die Nerven? Kanzler Scholz könnte im TV-Zweikampf darauf setzen und versuchen, Fehler zu provozieren.
Nur jede zehnte junge Frau will Merz als Kanzler
Eine ausweisliche Schwäche des Unions-Kandidaten sind seine persönlichen Werte. Nur 24 Prozent der Befragten halten den CDU-Vorsitzenden noch für "vertrauenswürdig" (minus sechs Punkte), wie eine repräsentative forsa-Umfrage für stern, RTL und ntv ergab, die kurz nach dem Abstimmungseklat im Bundestag stattfand. Bei "sympathisch" sieht es mit 16 Prozent (minus acht Punkte) sogar noch schlechter aus.
Gleichzeitig bekräftigen die Zahlen, was schon frühere Erhebungen zeigten: Merz hat ein großes Defizit bei Frauen. Das gilt vor allem für junge Wählerinnen. Gerade einmal zehn Prozent der Frauen unter 30 wollen den CDU-Chef als Kanzler. In dieser Zielgruppe liegt er deutlich hinter Habeck (39 Prozent) und sogar Scholz (11 Prozent). Jedoch: Je älter die befragten Frauen sind, umso eher wären sie geneigt, Merz zu wählen. So würden 24 Prozent der Wählerinnen über 60 Jahre für Merz stimmen. Dennoch bleibt der Wert deutlich unter den Männern jenseits der 60 (31 Prozent).
Interessant ist auch der Ost-West-Unterschied. Bei den Ostdeutschen schneiden Merz (19 Prozent) und vor allem Habeck (12 Prozent) deutlich schlechter als bei Westdeutschen ab. Scholz hingegen kann mehr Ostdeutsche (18 Prozent) als Westdeutsche von (16 Prozent) von sich überzeugen.
Bis zur Wahl sind es noch 14 Tage, exakt zwei Wochen. Wer sitzt künftig im Kanzlerstuhl? Darüber könnte auch der heutige Abend entscheiden.