FDP-Krisenparteitag Mit dieser kuriosen Machtstrategie will Christian Lindner noch mal punkten

Lindner: "Die Bürger haben die Chance, zwischen Lindner und Habeck zu wählen"
Lindner: "Die Bürger haben die Chance, zwischen Lindner und Habeck zu wählen"
Christian Lindner im Videointerview: "Die Bürger haben die Chance, zwischen Lindner und Habeck auszuwählen".
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Die FDP will als "Bollwerk gegen Schwarz-Grün" dem Wahldesaster trotzen. Die Frage nach dem Parteitag lautet nur: Welche Machtoption hat Lindner eigentlich selbst?

Zum Schluss kommt Christian Lindner auf das zu sprechen, was offenkundig ist: Für die FDP geht es am 23. Februar um alles. "Wir stehen gegenwärtig in den Umfragen auf der Kippe, wir wissen es", ruft der FDP-Vorsitzende von der Parteitagsbühne in Potsdam. In sämtlichen Erhebungen rangieren die Liberalen bei vier Prozent, befinden sich damit in der politischen Todeszone. Ihr Wiedereinzug in den Bundestag ist gefährdet, nur zwei Wochen vor der Wahl. Auch Lindners Tage als Parteichef könnten dann gezählt sein. Was folgt also daraus?

Die Losung von Lindner, der am Sonntagmittag selbstbewusst, geradezu trotzig auftritt, geht so: Wer die FDP wähle, verhindere Schwarz-Grün – und damit auch eine Regierung, der Robert Habeck angehöre. 

"Robert Habeck ist die größte Wachstumsbremse in unserem Land", poltert Lindner unter Beifall der FDP-Delegierten. Beim grünen Wirtschaftsminister wachse nur der Frust, nicht die Wirtschaft. Dass Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) ihn für seine asylpolitischen Vorschläge gelobt habe, zeigt laut Lindner vor allem eines: dass Merz für die Kanzlerschaft auch bereit sei, "einen Politikwechsel in Deutschland zu opfern". Lindner: "Wir nicht."

Die Strategie des FDP-Vorsitzenden ist offensichtlich – und riskant. Lindner versucht die Liberalen als die politische Kraft einzurahmen, mit der es tatsächlich eine Kehrtwende in der Wirtschafts- und Migrationspolitik gebe. Dabei setzt er auf maximale Abgrenzung zu den politischen Wettbewerbern, insbesondere den Grünen. Und schlägt sich damit im Zweifel auch künftige Machtoptionen aus der Hand.

Christian Lindner: Entweder Habeck oder ich 

"Sobald die FDP dem Deutschen Bundestag angehört, ist allein schon rechnerisch eine schwarz-grüne Koalition ausgeschlossen", sagt Lindner. "Allein das ist ein Grund zur Wahl der FDP!" Ein Bündnis zwischen FDP und Grünen schließt er kategorisch aus. Das bedeute auch, sagt der FDP-Chef: kein Jamaika, also eine Regierung aus Union, Grünen und Liberalen. Damit entscheide jetzt nicht mehr Friedrich Merz allein, welche Koalition gebildet werde, meint Lindner, sondern die Bürgerinnen und Bürger. 

Der FDP-Chef will seine Partei offenkundig als das Zünglein an der Waage verstanden wissen. Denn daran, dass die Union stärkste Kraft bei der Bundestagswahl werden dürfte, hat der Vorsitzende offenbar keine Zweifel. Die entscheidende Frage sei ihm zufolge nicht, wer Kanzler werde, sagt er in Potsdam. Die entscheidenden Fragen seien Wachstum oder Stagnation, Freiheit oder Staat, "Lindner oder Habeck im Kabinett". Damit macht der FDP-Chef auch seinen Anspruch geltend, Teil der nächsten Bundesregierung zu sein.     

Doch wie könnte diese Regierung überhaupt aussehen? Die Liberalen setzen erklärtermaßen auf eine Koalition mit der Union, sind aktuell aber weit von einer ausreichend großen Zahl von Mandaten entfernt, um als kleinerer Partner eines Zweierbündnisses infrage zu kommen. 

Auch eine Jamaika-Koalition ist nach Lindners Worten ausgeschlossen, wie auch eine Zusammenarbeit mit AfD, BSW oder Linken. Bliebe im Zweifel also noch eine "Deutschland-Koalition" mit Union und SPD. Die Sozialdemokraten dürften sich nach dem Bruch der Ampel-Regierung jedoch zweimal überlegen, ob sie noch einmal mit der FDP – und insbesondere mit Lindner – regieren wollen. 

"Wir sind das Bollwerk gegen Schwarz-Grün"

Dass die Liberalen für den Wiedereinzug ins Parlament auch offen im Wählermilieu ihres Wunschpartners wildern, dürfte der Union kaum gefallen. Zuletzt hatte deren Kanzlerkandidat Merz potenzielle FDP-Wähler zum Kreuz bei der Union aufgerufen, CSU-Chef Markus Söder vor "Leihstimmen" für die Liberalen gewarnt. 

Lindner konterte nun: "Markus Söder hat genau zwei Stimmen. Seine eigenen. Die muss er uns nicht leihen, die kann er behalten." Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki richtete sich sogar direkt an Sympathisanten der Union: "Die dringend notwendige Wende in der Wirtschaftspolitik und in der Migrationspolitik wird es nur mit den Freien Demokraten geben", sagte er. "Deshalb rufe ich alle unionsgeneigten Wähler auf: Wählen Sie am Wahlsonntag die FDP." Kubicki: "Wir sind das Bollwerk gegen Schwarz-Grün." 

Eine Prise Trump-Rhetorik

Auch mit dem Rücken zur Wand setzen die liberalen auf ihre Kernthemen. "Make liberty great again" (deutsch: "Macht die Freiheit wieder groß"), formuliert es FDP-Generalsekretär Marco Buschmann, offensichtlich in Anlehnung an den Wahlkampfslogan von US-Präsident Donald Trump ("Make America Great Again"). Auch Lindner schlägt in diese Kerbe: "Es ist eine Zeit, in der gelten muss: Economy First." Deswegen habe die "Wirtschaftswende" für die FDP Priorität.

In ihrem am Sonntag einstimmig beschlossenen Wahlaufruf formulieren die Liberalen neun "Prüfsteine" als Bedingungen für eine mögliche künftige Regierungsbeteiligung. Angestrebt wird eine Wende in der Wirtschaftspolitik und ein Fokus auf "Erneuerung, Wettbewerbsfähigkeit und Freiheit". Parteichef Lindner forderte zudem einen Rückbau der Bürokratie, Entlastungen für die Wirtschaft und eine technologieoffene Energiepolitik. 

Wer das liberale Potenzial im Parlament halten wolle, sagte Lindner, müsse "jetzt zur Fahne kommen". Und, so will er das verstanden wissen, die FDP wählen.