Megayacht "Dilbar" Wie sich die Linke mit russischen Oligarchen anlegt

Eine Yacht für Oligarchen: die Dilbar im Jahr 2019
Eine Yacht, wie für Oligarchen gemacht: die "Dilbar" im Jahr 2019
© Yoruk Isik / Reuters
Eine Luxusyacht, ein russisch-usbekischer Oligarch und eine angeblich unwahre Behauptung der Linken: Was hinter einem ungewöhnlichen Rechtsstreit in Hamburg steckt.

Etwa eine Woche nach der russischen Invasion in der Ukraine forderte die Linke in Hamburg, mehrere Yachten zu beschlagnahmen. "Dazu gehört die 'Dilbar' des Kreml-Oligarchen Alischer Burchanowitsch Usmanow", hieß es in der Mitteilung der Stadtratsfraktion vom 1. März 2022. "Mit einem Wert von über einer halben Milliarde Euro täte diese Sanktion auch richtig weh."

Die Luxusyacht lag damals für Wartungsarbeiten im Hamburger Trockendock und wurde tatsächlich wegen der EU-Sanktionen von den Behörden festgesetzt. Ein paar Monate später schleppte man sie über die Weser zu ihrer Heimatwerft nach Bremen.

Nun, gut drei Jahre später, bekam die Hamburger Linke Post von der Kanzlei des örtlichen Rechtsanwalts Joachim Steinhöfel. Gefordert wird eine Unterlassungserklärung. "Unser Mandant ist nicht Eigentümer der Yacht 'Dilbar'", heißt es in dem Schreiben, das dem stern vorliegt. 

Der Oligarch lässt drohen

Steinhöfel forderte die Landespartei im Namen von Usmanow daher auf, die "unwahren Behauptungen" zu unterlassen. Die entsprechende Erklärung sei binnen weniger Tage zu unterschreiben, ansonsten drohten "gerichtliche Schritte". 

Doch die Linke weigert sich. Der Landesverband hat stattdessen selbst eine Anwaltskanzlei eingeschaltet. "Wenn Herr Usmanow vor ein deutsches Gericht ziehen will, werden wir dafür sorgen, dass er dabei so viel wie möglich von seinen Vermögensverhältnissen offenlegen muss", sagte Bundeschef Jan van Aken dem stern. Der Bundestagsabgeordnete gehört dem Hamburger Landesverband an.

Der Vorgang ist aus mindestens drei Gründen interessant. Erstens ist da das, nun ja, Boot mit einem geschätzten Wert von 600 Millionen Euro. 156 Meter lang, sieben Decks, Spa-Bereich, Helikopterlandeplatz und der größte Pool, der jemals in einer Privatyacht zu sehen war. Die Motorleistung beträgt gut 40.000 PS. Bis zu 36 Gäste haben auf knapp 4000 Quadratmetern Wohnfläche reichlich Platz. Das schwimmende High-End-Hotel wurde nach fünfjähriger Bauzeit 2016 von der Bremer Lürssen-Werft ausgeliefert und auf den Namen "Dilbar" getauft.

Eine sowjetische Karriere, inklusive Gefängnis

Da ist zweitens Usmanow selbst. 1953 in Usbekistan als Sohn eines Staatsanwalts und einer Russischlehrerin mit dem Vornamen Dilbara geboren, wurde er nach dem Studium in Moskau ein Handelsfunktionär in Taschkent, wo er 1980 wegen angeblicher Bestechung zu einer langen Haftstrafe verurteilt wurde.

Nach seiner Entlassung – später wurde er sogar offiziell rehabilitiert – begann Usmanow mit Plastiktüten und Zigaretten zu handeln und machte nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Karriere im Energiekonzern Gazprom. Parallel dazu baute er sein eigenes Imperium auf, erst in der Metall- und Bergbauindustrie, später auch im Medienbereich. Zudem investierte er Milliarden in Tech-Unternehmen wie Apple, Facebook oder Alibaba.

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Dies alles machte ihn laut "Forbes" zu einem der 100 reichsten Menschen der Welt, sein Vermögen wird auf mehr als 20 Milliarden US-Dollar geschätzt. Nicht nur die EU sagt ihm enge Verbindungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin nach und hat ihn deshalb als "kremlfreundlichen Oligarchen" auf ihre Sanktionsliste gesetzt.

Razzia am Tegernsee

Und schließlich ist da, drittens, noch die Linke, also eine Partei, der traditionell eine gewisse Nähe zu Moskau nachgesagt wird. Seit sich jedoch der russlandfreundlichere Teil unter Sahra Wagenknecht abgespaltet hat, hält die Linke konsequent ihren Mittelkurs: Sie verurteilt den russischen Angriffskrieg, unterstützt die Souveränität der Ukraine, lehnt aber gleichzeitig Waffenlieferungen ab. Stattdessen setzt sie auf Diplomatie, verbunden mit wirtschaftlichem Druck – wie etwa durch Sanktionen gegen Oligarchen.

Damit schließt sich der Kreis zu Usmanow, der sich auch hin und wieder in Deutschland aufhalten soll. Zu seinen vielen, hochpreisigen Immobilien gehört eine schicke Villa am Tegernsee – die im September 2022 von der Bundespolizei durchsucht wurde. Die Razzia war nur ein Teil von Ermittlungen wegen des Verdachts auf Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Sanktionsverstöße. 

Der Milliardär lässt alle Vorwürfe dementieren, eine Anklage wurde bisher nicht erhoben. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt stellte ihr Verfahren wegen Geldwäscheverdachts vor einem Jahr gegen eine freiwillige Zahlung von vier Millionen Euro ein. Ein Schuldeingeständnis war damit nicht verbunden.

Stiftungskonstrukt auf den Bermudas

Und die "Dinbar"? Auch sie wurde im September 2022 durchsucht. Das Bundeskriminalamt hatte zuvor erklärt, nach "aufwendigen Ermittlungen" herausgefunden zu haben, dass die Megayacht Usmanows Schwester Gulbakhor Ismailova gehöre.

Als allerdings Steinhöfel im Auftrag des Milliardärs dagegen vorging, löschte das BKA diese Mitteilung wieder. Denn formal befindet sich die Yacht nicht im Eigentum der Familie. Laut einem Bericht der "Bild-Zeitung" soll sie seit 2016 einer Stiftung auf den Bermudas gehören, zu der die Usmanows zumindest offiziell keine Verbindung mehr haben.

Die Kanzlei Steinhöfels mahnt deshalb seit einiger Zeit Personen und Medien ab, die behaupten, dass sich die "Dinbar" im Besitz von Usmanow befinde. Die "beanstandete Behauptung", schrieb der Rechtsanwalt an die Linke, sei bereits in zahlreichen Verfahren vor dem Landgericht Hamburg "erledigt worden".

Van Aken: "Wir legen uns mit den Superreichen an"

Steinhöfel vertritt auch den russischen Oligarchen Roman Abramowitsch gegen die Partei. Es gibt einige Parallelen zu Usmanow, einschließlich der Frage, wem eine bestimmte Luxusyacht gehört. Auch hier soll die Linke ihre Behauptung unterlassen, dass der Multimilliardär der Eigentümer sei. Die entsprechende Mitteilung der Partei, die auf ihrer ökologischen Plattform erschien, ist sogar vier Jahre alt.

Doch wie schon bei Abramowitsch geht die Linke im Fall Usmanow in die Gegenoffensive. Zum Zeitpunkt der Pressemitteilung im März 2022 sei die angegriffene Äußerung "nicht nachweislich falsch" gewesen, teilten ihre Anwälte im Antwortschreiben Steinhöfel mit. Deshalb sehe sich die Linke dazu berechtigt, die Behauptung weiter zu verbreiten.

Die Bundesspitze scheint fast schon dankbar für die Gelegenheit, sich als Antipode der Oligarchen profilieren zu können. "Wir sind die einzige Partei, die sich mit den Superreichen anlegt, egal woher sie kommen", sagte Jan van Aken.

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