Manchmal reicht es, Zahlen sprechen zu lassen. Wobei, ganz so einfach ist es in diesem Fall nicht, denn manche Angaben schwanken doch sehr, je nachdem, von welcher Seite sie verbreitet werden. Wusste ja schon Churchill, dass man mit wenig anderem besser lügen kann als mit Statistik. Dennoch ist es den Versuch wert. Wir probieren es einfach mit den halbwegs gesicherten Werten. Also: 7 Regierungschefs, 3600 verschweißte Gullys, 360 Millionen Euro Kosten, rund 30.000 eingesetzte Polizisten aus ganz Deutschland. Und: maximal 7500 Gegner dieses ziemlich absurd anmutenden Arbeitsausflugs der internationalen Politikspitze ins Voralpenland.
Bleibt die Frage: Ist´s das wert?
Die Antwort ist auch nicht ganz so einfach, wenn man nicht Horst Seehofer heißt, für den die Bilanz schon zu Beginn des G7-Treffens in aller Schlichtheit lautet: "Gipfel können wir." Wobei "wir" heißt: Wir Bayern. Die Frage von Aufwand und Ertrag stellt sich da von vornherein nicht.
Nicht erfolgreicher als eine Videoschalte
Es ist wahrscheinlich auch besser, sie gar nicht erst zu stellen, jedenfalls aus Politikersicht. Man käme sonst bei ehrlicher Abwägung zum niederschmetternden Ergebnis: Sicher ist es ganz nett, sich mal jenseits klimatisierter Konferenzräume und Regierungszentralenbüros in einer Atmosphäre zu treffen, die man bei bestwilliger Betrachtung für so etwas wie ungezwungen halten könnte; und ein paar Superbilder fürs PR-Album fallen auch ab dabei. Aber inhaltlich kommt dabei auch nicht mehr raus als bei einer stinknormalen Videoschalte, jedenfalls nicht so viel mehr, dass es den Preis rechtfertigen würde – und die immensen immateriellen Nebenkosten erst recht nicht.
Das Beste, was man nach den im Vorfeld kursierenden Horrorszenarien sagen kann, lautet, Garmisch-Partenkirchen, diese Idylle im Oberbayerischen, steht noch. Es hat ein paar Rangeleien gegeben zwischen Polizei und Demonstranten, ein paar Verletzte, einige Festnahmen. So zynisch es klingen mag: Bei jedem Lokalderby an einem Bundesligaspieltag passiert mehr. Die Fußgängerzone liegt nicht in Schutt und Asche. Die paar Ladeninhaber, die das für nötig befunden hatten, hatten ihre Schaufenster und Türen unnötig verrammelt. Kein gesalbtes Staatsoberhaupt wurde auf Schloss Elmau durch unbotmäßige Demo-Parolen belästigt. Der Kontakt war von vornherein ausgeschlossen.
Wer unser Volk ist, bestimmen wir selber
Ja, es ist platt. Aber es stimmt leider auch: Wir hier oben, ihr da unten – dieses schlichte Zwei-Welten-Bild der Gipfel-Gegner wurde von den Verachteten selber bestens bedient; die sonntägliche Obama-Merkel-Show in der zurechtgezimmerten Biergartenwelt mit den braven Bürgern von Krün pinselte es erst recht kitschfarben aus. Motto: Wer unser Volk ist, das bestimmen vernünftigerweise wir selber.
Man kann manche Parolen der G7-Gegner, die sich auf den Weg nach Garmisch gemacht hatten, für schlicht halten und für sinnentleert; ein simples "Anti-Capitalista" ist auf keinem wesentlich höheren intellektuellen Niveau angesiedelt als "alternativlos". Man darf auch mit Fug darüber sinnen, ob das ritualisierte Katz-und-Maus-Spiel der linken Aktivisten mit der Staatsgewalt so viel besser ist als die demonstrative Ihr-könnt-uns-mal-Abgehobenheit der kritisierten Politiker. So lange zu provozieren, bis sich die Polizei provozieren lässt, ist billig. Es beweist letztendlich auch nichts. Zumindest nicht, dass wir in einem Polizeistaat lebten.

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Demokratie muss Widerstand aushalten
Auch wenn die Einsatzplanung dieses Gipfels schon Zweifel daran erlaubt, ob das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit in diesen Tagen von Elmau und Garmisch wirklich so garantiert war, wie es mal gedacht war. Was da auf den Straßen ablief, lässt sich am besten mit dem Begriff betreutes Demonstrieren beschreiben: Ein G7-Gegner, zwei begleitende Beamte. Und das waren nur die jeweils sichtbaren Einsatzkräfte. Über wütende Demonstranten darf man sich da nicht wundern. Eher darüber, dass es trotzdem relativ friedlich geblieben ist.
Und keinesfalls zuletzt: Was man als Demokratie nicht darf, ist, die Putativabschreckung so hoch zu fahren, dass sich nur noch der hartgesottene Kern der Gegner überhaupt zu demonstrieren traut. Dass maximal 7000 Gegner nach Garmisch gekommen sind, hat einerseits mit einer zunehmenden Erschlaffung der Anti-Bewegungen zu tun – vor allem aber auch mit dem massiven Polizeiaufgebot samt Kontrollen. Um es mit Horst Seehofer zu sagen: Gipfel können wir, Rechtsstaat nicht so gut.
Demokratie muss Widerspruch, auch Widerstand aushalten. Sie hält ja sogar einen Bundesminister aus, der sich nicht entblödet, Sätze zu sagen, die so bescheuert sind, dass man sie nicht mal Alexander Dobrindt zugetraut hätte. Pardon, Korrektur: Doch, dem schon.
Andreas Hoidn-Borchers hat in den Gipfeltagen das Treiben in Garmisch-Partenkirchen verfolgt und war erstaunt, wie groß die Sympathien der Bevölkerung für die G7-Gegner waren. Sie können ihm auf Twitter folgen: @ahborchers.