Im Streit mit der SPD über die Gesundheitsreform hat Bundeskanzlerin Angela Merkel auf ihren Führungsanspruch hingewiesen. Die SPD wünsche sich, einer der ihren sei Kanzler, sagte die CDU-Chefin in einem Zeitungsinterview. "Aber es ist nun mal so: Die Bundeskanzlerin bin ich." In einem Interview des Bonner "General-Anzeigers" wies Merkel darauf hin, dass die Koalition einen Auftrag für vier Jahre habe: "Ich glaube, dass wir genug zu tun haben und auch genug Gemeinsamkeiten und Kraft haben, um das zu leisten."
"Steuergeld verwenden ist nicht gleich eine Steuererhöhung"
Die Regierungschefin kommentierte Forderungen der SPD in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" mit den Worten, es gebe einen feinen Unterschied: "Steuergeld verwenden zu wollen ist nicht gleichbedeutend mit Steuererhöhung." Die Koalitionsspitzen hatten in ihren Eckpunkten zur Gesundheitsreform vereinbart, dass in die beitragsfreie Krankenversicherung der Kinder im Jahr 2008 1,5 Milliarden und im Jahr darauf drei Milliarden Euro aus dem Bundesetat fließen sollen. Die Finanzierung ist noch offen.
Die SPD hatte ein Volumen von bis zu 20 Milliarden Euro angestrebt. Allein die Kosten der Kinderversicherung betragen jährlich etwa 16 Milliarden Euro. Steuererhöhungen soll es dazu bis Ablauf der Wahlperiode 2009 nicht geben. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) äußerte die Einschätzung, dass nach 2009 über Steuererhöhungen gesprochen werden müsse, um die Milliardenbeträge für die Kinderversicherung zu finanzieren.
Union will Ruhe im Laden
Führende Unions-Politiker warnten den Koalitionspartner zudem vor weiteren Angriffen auf die Kanzlerin. Die SPD hatte ihr vorgeworfen, beim Gesundheitskompromiss sei sie auf Druck der Unions-Ministerpräsidenten von früheren Zusagen für eine stärkere Steuerfinanzierung abgerückt.
Unions-Politiker mahnten die SPD zur Ruhe und sprachen von einem Autoritätsproblem des Koalitionspartners in den eigenen Reihen. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble sagte der "Bild am Sonntag" mit Blick auf den SPD-Vorwurf, Merkel habe frühere Vereinbarungen gebrochen: "Eine solche Aussage darf es nicht noch einmal geben." Steuererhöhungen für die Gesundheitsreform seien zu keinem Zeitpunkt vereinbart gewesen. "Die Kanzlerin hat vereinbart, dass man alles prüft", sagte der CDU-Politiker.
Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus nannte die SPD-Angriffe eine Zumutung. Derartige Angriffe der SPD müssten "eine Ausnahme bleiben, wenn die Koalition weiter funktionieren soll", sagte er der "Berliner Zeitung". Er sehe darin einen Ausdruck des Autoritätsproblems der SPD. Althaus ließ Kritik an der Vermittlung der Regierungspolitik erkennen. "Es sind die kleinen Schritte, die das Gesamtbild nicht sofort erkennbar machen. Das muss eben auch kommuniziert werden", sagte Althaus, der als Vertrauter Merkels gilt.
Westerwelle schließt Neuwahlen nicht aus
FDP-Chef Guido Westerwelle schloss in einem Beitrag für die "Bild"-Zeitung angesichts der zunehmenden Querelen einen Bruch der großen Koalition und Neuwahlen nicht aus. Linkspartei-Fraktionschef Oskar Lafontaine rechnet dagegen nicht mit einem Zerfall der Koalition. Über ein Misstrauensvotum sei die Regierung nicht zu stürzen, sagte er im Deutschlandradio Kultur. Neuwahlen wiederum könnten ähnliche Mehrheitsverhältnisse wie derzeit bringen. Daher sei zu erwarten, "dass die große Koalition eine Zeit lang weiter wurstelt".

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Auch Grünen-Parteichef Reinhard Bütikofer rechnete nicht damit, "dass die morgen auseinander gehen. Die sind durch ihre jeweilige Orientierungslosigkeit zum Zusammenbleiben verurteilt". Anders dagegen Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn: Wenn sie so weitermache, werde sie die Wahlperiode nicht überstehen, sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung".