Wenn grüne Politiker sich an diesem Wochenende vom Politikmachen erholen wollen, dann gehen sie die Treppe hoch. In der Frankenhalle, erster Stock, links und rechts des Aufgangs, gibt es einen kreisrunden Ausstellungsgang. Viele kontaktfreudige Firmen und Verbände stehen dort, die mit Gimmicks, Gummis und Körperertüchtigungsangeboten um die Aufmerksamkeit der Delegierten buhlen.
Ein wahrer Spaßschlager sind die Elektroroller der Firma Segway. Wer ökologisch korrekt durch die Gemüsebeete bügeln - oder einfach nur andere Delegierte aus dem Weg schubsen will - der steht hier Schlange. Die Deutsche Bahn bietet eventorientiertes Ergometerstrampeln an: Früher brannte bei solchen Anlässen einfach eine Glühlampe, gespeist aus dem Muskelstrom abgeschwitzter Radfahrkoryphäen. Heute bewegt sich ein ausgewachsener Modell-ICE auf ovalem Schienenkranz. Auch hier stehen die Leute sich die Beine in den Bauch, um mal fröhlich in die Pedale treten zu dürfen.
"Wir haben keine Berührungsängste"
Einige Meter weiter ist es ruhig. Keine Goldbären, keine Kugelschreiber, keine Spaßmaschinen. Nur Prospekte. "Wachstumsvorsorge treffen - Reformtempo erhöhen", steht da. Daneben liegt der Schmöker "Gesamtausgabe der Schriftenreihe zur Erbschaftssteuerreform." Kein Zweifel, der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) meint es ernst. "Mir war es gestern ein wenig zu ruhig", sagt Marie Luise Eul. Und wenn sie an all die Animationskanonen in ihrer Nachbarschaft denkt, dann weiß sie auch, warum.
Bereits zum vierten oder fünften Mal ist der BDI da, sagt sie. "Wir haben keine Berührungsängste. Auch währen der rot-grünen Koalition gab es viele Übereinstimmungen." Na ja, vielleicht nicht gerade in der Atomfrage. Ihr Kollege Bernhard Obladen stößt dazu. "Leider ist unser Energie-Experte heute nicht dabei. Der hat sich dolle Schlachten an diesem Stand geliefert." Doch eigentlich sei die Atmosphäre relativ friedlich. "Das erste Mal war es schon ein bisschen verwegen. Aber wir haben hier gute Erfahrungen gemacht. Mit dem Realoflügel kann man ja ganz sachlich diskutieren."
Der BDI will wahrgenommen werden
Natürlich will der BDI Lobbyarbeit betreiben. Wahrgenommen werden, mit den Leuten ins Gespräch kommen. Frau Euls Lieblingsthema ist das Verbraucherinformationsgesetz, das noch von der damaligen Verbraucherschutzministerin Renate Künast angeschoben wurde. Einer Grünen. "Sie hat eine andere Herangehensweise", sagt Frau Eul. "Der BDI sagt: Wettbewerb ist der beste Verbraucherschutz. Denn die Unternehmen beäugen sich in einer Wettbewerbssituation ja gegenseitig." Eine Position, die ein Stockwerk weiter unten, vorsichtig ausgedrückt, nicht unbedingt mehrheitsfähig wäre. Aber die beiden BDI-Vertreter machen einen optimistischen Eindruck. Man müsse eben auch über bestimmte Dinge reden können, ohne einer Meinung zu sein, sagen sie. "Wir gehen zu allen Parteitagen", sagt Obladen. "Außer zu den Linken. Das macht keinen Sinn."
Im Saal wird gerade heftig über das bedingungslose Grundeinkommen diskutiert. Einen Fixbetrag für jeden im Monat, ohne Gegenleistung, steuerfrei. Je nach Höhe wären große Teile der Bevölkerung wohl nicht mehr auf Erwerbsarbeit angewiesen. "Das kann nicht Sinn der Sache sein", sagt der sonst so fröhliche Herr Obladen kühl. "Das ist nicht unsere Denke." Es klingt fast schon pikiert, denn das Grundeinkommen wird auch von Lafontaine und Gysi befürwortet. Der Parteitag fällt heute eine Richtungsentscheidung. Und wer weiß, wie lang der BDI dann seinen Stand noch bei den Grünen aufbaut.