Der Bundestag hat den Weg freigemacht für weit reichende Reformen auf dem Arbeitsmarkt. Mit den Stimmen der rot- grünen Koalition und der Mehrheit der Union billigten die Abgeordneten die umstrittene Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Der Bundestag bestätigte damit den Kompromiss von Regierung und Opposition aus dem Vermittlungsausschuss. Das neue Arbeitslosengeld II, das zum 1. Januar 2005 in Kraft treten soll, muss nun noch in einer Woche vom Bundesrat verabschiedet werden.
Nur eine Handvoll Abgeordneter stimmte gegen die Reform
Der Grünen-Abgeordnete Christian Ströbele stimmte ebenso wie die FDP, die beiden PDS-Abgeordneten und wenige Unionsabgeordnete gegen den Kompromiss. Die Vereinbarung sieht unter anderem 3,2 Milliarden Euro Bundesmittel für die Kommunen zum Ausgleich ihrer Unterhaltskosten für Langzeitarbeitslose vor. 69 Kommunen und Landkreise erhalten die Möglichkeit, die Betreuung der Langzeitarbeitslosen in eigener Regie zu übernehmen.
Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) würdigte die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe als Beginn einer effektiven Arbeitsvermittlung. "Wir verabschieden uns von der Verwaltung der Arbeitslosigkeit", sagte Clement im Bundestag. "Alle werden eine bessere Vermittlung bekommen." Nach dem Ende des Tauziehens über die Finanzierung müsse nun mit aller Kraft an der Umsetzung der "Hartz IV" genannten Reform gearbeitet werden.
Clement wies erneut Vorwürfe zurück, das neue Arbeitslosengeld II bedeute einen sozialen Absturz für viele Bezieher. Berichte, wonach Langzeitarbeitslose künftig 200 Euro weniger bezögen, seien "schlicht falsch". Unionssprecher Volker Kauder (CDU) sagte, Clement trage nun die Verantwortung dafür, dass die Auszahlung des neuen Arbeitslosengeldes II vom 1. Januar auch funktioniere. FDP-Arbeitsmarktexperte Dirk Niebel kritisierte, dass Betreuung und Vermittlung nicht völlig den Kommunen übertragen werden. Die PDS- Abgeordnete Petra Pau nannte die Neuregelung ein "Armutsgesetz".
DGB-Chef Michael Sommer bekräftigte seine Kritik an der Arbeitsmarktreform. "Das Konzept ist keine Förderung für Arbeitslose, sondern der klassische Arbeitslose wird damit in kürzester Zeit in die Armut abgeschoben", sagte Sommer. Das so genannte Hartz-IV-Gesetz werde das Leben in Deutschland nachhaltig verändern - nicht nur für Langzeitarbeitslose und Sozialhilfe- Empfänger.
Junge Arbeitslose in Zivildienststellen
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) erwägt, arbeitslosen jungen Leuten auch freie Zivildienstplätze anzubieten. Dies sagte BA- Vorstandsmitglied Heinrich Alt in Berlin. Derzeit seien 60.000 Stellen im Zivildienst unbesetzt. Es müsse geprüft werden, ob ein Teil der rund 450.000 Jugendlichen ohne Job für einen solchen Einsatz geeignet sei. Die Bundesregierung hat sich verpflichtet, künftig allen Jugendlichen unter 25 Jahren ein Beschäftigungs- oder Qualifizierungsangebot zu machen. Wer dieses ausschlägt, dem wird das neue Arbeitslosengeld II für drei Monate gestrichen.
Das BA-Vorstandsmitglied teilte die Befürchtungen von Kritikern nicht, dass die Zahl der Arbeitslosen im kommendem Winter über fünf Millionen steigen werde. "Bei normalem Saisonverlauf" und weiter anziehender Konjunktur werden wir "die fünf Millionen im Januar und Februar nicht erreichen".