Der Historiker Hans-Ulrich Wehler hat die Ablösung von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann gefordert. In einem Interview in der neuen, am Donnerstag erscheinenden Ausgabe des stern sagte er: "Wenn die Deutsche Bank Staatsgelder in Anspruch nimmt, muss Ackermann und der gesamte Vorstand weg. Diese Hasadeure in den oberen Rängen müssen zurücktreten, auch wegen der politischen Wirkung." Schließlich seien auch die Manager im zweiten Glied in der Lage, sofort die Leitung der Bank zu übernehmen.
Dem Bielefelder Historiker zufolge ist die "aberwitzige Fixierung auf 25 Prozent Rendite, die Josef Ackermann der Deutschen Bank verordnet hat, charakteristisch für die Phase einer fehlenden Regulierung der Finanzmärkte. In so einem überhitzten Geschäftsklima treten dann all die Eigenschaften zu Tage, die derzeit beklagt werden: die Habgier, die Fahrlässigkeit, aber auch die Dummheit der beteiligten Banker".
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Wehler verwahrte sich im stern dagegen, weiter zu machen wie bisher, nachdem sich die Märkte stabilisiert haben werden: "Wir dürfen nicht in drei Jahren, wenn sich die Wall Street längst beruhigt hat, Ackermann aus seiner Schweizer Hütte zurückholen."
Enttäuscht zeigt sich Wehler über das historische Gedächtnis vieler Wirtschaftsliberaler, die in den vergangenen Jahren mitverantwortlich waren für die Deregulierungswelle. "Als Historiker konnte man da nur sagen: Leute, ihr glaubt doch nicht im Ernst, dass es einen staatsfreien funktionierenden Markt gibt." Wenn er mit Bankern und Unternehmern diskutiere, sei er oft "erstaunt, wie wenig historisch die denken", sagt Wehler. "Die haben einen Zeithorizont, der maximal ein paar Wochen zurück reicht und dann weit in die Zukunft geht." Nur mit Hilfe solcher Denkbarrieren sei es in den vergangenen Jahren möglich gewesen, an die allein selig machende Wirkung eines freien Marktes zu glauben. Mit Bezug auf den Neoliberalismus sagte Wehler: "Was wir in diesen Wochen erleben ist, dass eine mächtige Gedankenströmung radikal dementiert wird."