Kommentar 1000 Tage Koalition, 100 Gramm Ergebnis

  • von Hans Peter Schütz
Eine ernüchternde Bilanz: Etwas Schuldenabbau und eine souveräne Aussenpolitik - mehr hat die Große Koalition nach 1000 Tagen im Amt nicht vorzuweisen. Weitere Großtaten? Fehlanzeige! Ein Jahr vor der Bundestagswahl droht nun Stillstand - die Opposition meckert zu Recht.

Die Opposition meckert. Das ist parlamentarischer Alltag. Aber in diesem Fall meckert sie zu Recht. Denn die Bilanz der Großen Koalition nach 1000 Tagen Regierungszeit ist bescheiden – und das Wörtchen ist die eher höfliche verbale Variante. Schwarz-Rot wird in der Tat nur noch durch das zusammen gehalten, was die Liberalen die "Angst vor dem Wähler" nennen. Große Reformprojekte sind nicht mehr auf dem Fahrplan. Vieles von dem, was SPD und CDU/CSU abgearbeitet haben, basiert auf dem allerkleinsten gemeinsamen Nenner der beiden Volksparteien.

Nur zwei Punkte lassen sich nach 1000 Tagen positiv bewerten. Zum einen die Außenpolitik, die durch die gute Figur, die Angela Merkel auf den roten Teppichen der Welt und an den Tischen globaler Konferenzen macht, krisenfreien Kurs genommen hat. Zum zweiten der Versuch, die hohe Staatsverschuldung abzubauen, die die politische und wirtschaftliche Zukunft künftiger Generationen schwer belastet. Ob allerdings die Kanzlerin und ihr Finanzminister Peer Steinbrück dieser Reform auch im kommenden Wahljahr treu bleiben, bleibt abzuwarten. Und überdies muss angemerkt werden, dass der bisherige Schuldenabbau durch sprudelnde Steuereinnahmen sehr erleichtert worden ist. Da musste man nicht sehr mutig sein.

Hohe Steuern, noch mehr Bürokratie

Man darf gewiss daran erinnern, dass die Bundeskanzlerin die Bundesrepublik bei ihrem Amtsantritt als Sanierungsfall bezeichnet hat. Was jedoch ist geschehen, um diesen Zustand zu verbessern? Die Bürger wurden zunächst einmal mit drei Prozent mehr Mehrwertsteuer zur Kasse gebeten. Insgesamt ist ihre Belastung durch höhere Abgaben, Steuererhöhungen und die so genannte kalte Steuerprogression, durch rapide verteuerte Energiekosten und Benzinpreise erheblich gestiegen. Zwar ist die Zahl der Arbeitslosen erfreulich gesunken, aber das ist vor allem der noch von Gerhard Schröder durchgesetzten Agenda 2010 zu danken. Deren Wirkungen sind inzwischen von der Großen Koalition ziemlich gebremst worden. Es sei hier nur an die Verlängerung des Arbeitslosengeldes für ältere Arbeitslose erinnert.

Die Große Koalition ist - die Kanzlerin voran - wirtschaftspolitisch weggetaucht. Sie hat sich auf das Thema Mindestlohn in einer überaus wirren Weise eingelassen, obwohl alle Experten davor warnten, der Mindestlohn werde Arbeitsplätze vernichtet. In den Chefetagen der deutschen Wirtschaft fehlt dieser Koalition längst jede ordnungspolitische Glaubwürdigkeit. Auch in der Union selbst wird über die Wirtschaftspolitik nur noch abfällig diskutiert. Das von Merkel propagierte Konzept der kleinen Schritte hat nicht verhindert, dass Deutschland auf einen Abschwung zusteuert. Und man darf gespannt sein, wie die Wähler Anfang kommenden Jahres reagieren, wenn eine Monsterreform in Kraft gesetzt wird, die sich Gesundheitsreform nennt. Das Projekt ist unterm Strich ein bürokratisches Ungeheuer und wird von den Bürgern teuer bezahlt werden müssen.

Erinnerungen an Gerhard Schröder

Rund ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl ist die Lage der großen Koalition nicht eben rosig. Die SPD steigt nicht aus, weil sie hofft, ihre innere Zerrissenheit über den künftigen politischen Kurs bis dahin noch halbwegs heilen zu können. Die Union will nichts mehr anpacken, was die hohen Sympathiewerte der Kanzlerin beschädigen könnte. Dahinter steht die vage Hoffnung, der Kanzlerinnenbonus könne die Union irgendwie auf 40 Prozent hieven, die dann für eine Koalition mit der FDP reichen könnten. Sicher ist hier nichts. Es sei nur daran erinnert, dass 2002 glänzende Zahlen für die Schröder-Regierung binnen weniger Monate abstürzten und Rot-Grün damals gegen Edmund Stoiber nur um Haaresbreite politisch überlebte.