Es geht nimmer schlimmer? Irrtum. Schlimmer geht es in der CSU immer. Was sich derzeit in der bayerischen Volkspartei abspielt, spottet jeder Beschreibung. Wer mit der CSU nichts am Hut hat, darf sich ausschütten vor Lachen. Wer Sympathie mit ihr hegt, muss wie ein Hund leiden. Da regiert eine Partei mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit - und gerät außer Kontrolle. Je länger der angekündigte Machtwechsel schwelt, ohne vollzogen zu werden, desto schwächer wird der gesamte Laden. Eine Volkspartei zelebriert ihre Selbstzerstörung. In der CSU gibt es kein Zentrum mehr. Keines aus Macht, keines aus Personen. Nicht in der Staatskanzlei, nicht in der Parteiführung, nicht beim Generalsekretär, nicht wirklich in der Landtagsfraktion. Das Hauptproblem: Edmund Stoiber will nicht weichen, kann aber nichts mehr prägen. Seitdem er sich entschied, seinen Nachfolgern beim Übergang nicht zu helfen, seitdem er beschloss, ihnen das Leben schwer zu machen, schadet er seiner Partei - und zerstört seinen Ruf nachhaltig.
Alle Wege führen nach Moskau
Ein absurdes Beispiel am Rande: Erwin Huber, bayerischer Wirtschaftsminister und Kandidat für Stoibers Nachfolge an der Parteispitze, wird Anfang Juli nach Moskau reisen. Nicht zum ersten Mal, diesmal aber auch, um sich als Kandidat für den Parteivorsitz international zu präsentieren. Und was macht Stoiber? Er reist zur gleichen Zeit an den gleichen Ort. Will mal wieder alle Aufmerksamkeit auf sich vereinen. So macht man es, wenn man sich rächt. So macht man es, wenn nicht mehr politische Vernunft, sondern Zorn, Missgunst, ja Hass einen leiten. Die CSU muss mit aller Brutalität lernen, wie fatal es ist, eine Partei auf eine einzige Person auszurichten. Viel zu viele der Glücks und Hubers und Becksteins haben es zugelassen, dass aus Stoibers Erfolg Hybris werden konnte. Und Stoiber beweist, dass seine schönen Worte, gewählt bei seinem Abschied, nichts wert sind. Als er am 18. Januar seinen Rückzug ankündigte, schmückte er das mit dem famosen Satz: "Das Beste für Bayern und die CSU ist immer mein oberstes Ziel gewesen." Er hat nichts verstanden. Er ist kein Großer (mehr?), er muss zu den Kleinen gerechnet werden. Zu denen, die engsten Mitstreitern im Hass Beine stellen. Zu denen, die am Ende nicht dankbar, sondern undankbar werden. Sonst würde er helfen, den Übergang in den Griff zu bekommen. Davon ist nichts zu spüren.
Seehofer? In der Schlammschlacht
Das Duo Huber/Beckstein hat derweil nicht den Mut oder nicht die Kraft, dem Stoiberschen Treiben etwas entgegen zu setzen. Würden sie laut und deutlich und geschlossen auftreten, dann würden sie sich Stoibers weiten Griff in die Zukunft (das Programm Bayern 2020) oder auch seine Moskauer Parallelreisen verbitten. Sie sind nicht so stark, wie sie sich in der ersten Sekunde fühlten. Sie müssten Courage zeigen, um am jetzigen Treiben etwas zu ändern.
Und Horst Seehofer? Der Bundesminister. Der Kämpfer. Der Stimmenfänger, der gerne Vorsitzender werden würde? Er möchte alles und schafft derzeit fast gar nichts. Er, der eine starke Kraft sein könnte, hat sich in seinem persönlichen Kampf gegen fast alles und fast jeden verheddert. Ob er aus seinem Schlammschlachtenschlamassel raus findet - die Chance dafür sinkt täglich, insbesondere seit seinem Spiel mit Informationen über andere CSU-Größen.
CSU setzt Macht aufs Spiel
Das Fatale bei all dem: es gibt in dieser großen, stolzen, bisher fest verankerten Partei zurzeit keinen einzigen, der als Anker dienen und den Absurditäten Einhalt gebieten könnte. Der Generalsekretär nicht, die graue Eminenz Alois Glück nicht mehr, der Fraktionsvorsitzende Joachim Hermann noch immer nicht. So steht man staunend vor einer Partei, die so hartnäckig wie noch nie daran arbeitet, ihre Macht aufs Spiel zu setzen. Zwei-Drittel-Mehrheiten müssen tödliches Gift sein im politischen Leben.