Kommentar Stoiber hat Recht behalten

Gabriele Paulis Abschied von der CSU ist der zwingende Abschluss eines turbulenten Jahres, wie es die Bayern-Partei selten erlebt hat. Auf fast schon tragisch-ironische Weise belegt der Schritt jedoch vor allem eines: Edmund Stoiber hat Recht behalten.

Gabriele Pauli verlässt die CSU. So what? Na und? Politisch ist die Ankündigung völlig unwichtig, weil Pauli nicht mehr wichtig ist, zumindest nicht für die CSU. Ihr Amt als Fürther Landrätin gibt sie demnächst ab, ihre Funktionen in der Partei hat sie verloren. Aber nicht nur das. Schon zuvor, im Laufe dieses Jahres, hatte Pauli in Windeseile jedwede Glaubwürdigkeit in der Partei eingebüßt. Die Sache mit den Latex-Handschuhen, die Forderung nach einer Befristung der Ehe und ihre Bewerbung für den CSU-Chefposten - binnen kürzester Zeit hatte sie ihr politisches Kapital verspielt: das Ansehen an der Basis. Auf dem Parteitag Ende September in München punktete sie nur noch mit ihrem Mut, jenem Mut, furchtlos vor das Partei-Establishment zu treten, vor jene Chefs, die sie isoliert hatten, die sie jetzt hilflos angafften - und damit einmal mehr die Arroganz der Macht offenbarten. Aber auch der Basis war sie zu diesem Zeitpunkt schon unendlich fremd. Am Ende blieb ihr nur noch der Austritt.

"Die ist nicht wichtig"

Dabei wohnt dieser Geschichte eine gar nicht feine, tragische Ironie inne: Am Schluss nämlich behielt Edmund Stoiber mit jenem Urteil über Pauli recht, das sie, im Dezember 2006, erst berühmt und mächtig hatte werden lassen. "Die ist nicht wichtig", sagte er damals - und löste einen Sturm der Entrüstung in der eigenen Partei aus, der ihn hinweg riss, weil die Basis sich gedemütigt fühlte, der kleine Mann, die kleine Frau. Irgendwann begann Pauli dann, sich selbst für wichtig zu halten, für sehr wichtig. Es war in dem Moment, in dem ihr Fall begann. Und jetzt, am Ende dieses Jahres, ist sie nicht mehr wichtig, weil sie über dieselbe Eitelkeit stürzte, die Stoiber das Amt kostete. Es schließt sich ein Kreis.

Paulianer ohne Pauli

Anlass für Schadenfreude ist das nicht, im Gegenteil. Denn Pauli stand kurzzeitig durchaus für eine glaubwürdige, basisorientierte, frische Spielart der Politik, für eine Politik, die keine Angst hat vor den Thronen der Herrscher, der Amtsträger und der Parteigranden. Ihre Eitelkeit hat auch dieser Renaissance ein Ende gesetzt. Die Paulianer waren schnell ohne Pauli. Perdu. Das würde sich auch nicht ändern, wenn Pauli jetzt zu den Grünen (die würden sie nehmen) oder zu den Freien Wählern (die auch) wechseln würde. Die SPD hat vorsorglich wissen lassen, dass sie eigentlich kein so großes Interesse an einem Neumitglied Pauli hätten. Aber zur SPD will in Bayern eh keiner.

Die CSU hat sich mit dem Abgang Pauli endgültig all jener Hauptdarsteller entledigt, die ihr das Jahr so schwer gemacht haben: Stoiber jagt Bürokraten in Brüssel, der späte Vater Seehofer ist mit seinem Ministerposten und der Rolle des CSU-Vizechefs ruhiggestellt, und Markus Söder ist als Europaminister im bayerischen Kabinett versenkt. Für die Partei ist das einerseits alles gut, weil der Komödienstadl auf absehbare Zeit geschlossen bleibt. Andererseits ist's ein Problem, weil so richtig spannende Figuren gibt's einfach nicht mehr in der CSU: Der brave Landespapi Günther Beckstein ist so brav, dass er fürs große Theater nicht taugt, und Parteichef Erwin Huber wird allenthalben bescheinigt, dass er seinen Job nicht schlecht macht, aber, und das ist auch allen klar, er schon noch ein wenig üben muss in Berlin. Und so bedeutet Gabriele Paulis Abgang vor allem eines: Die CSU wird am Ende dieses fantastisch unterhaltsamen Jahres richtig langweilig. Zur Erholung mag das ganz gut sein, langfristig wäre dieser Zustand ein Problem für eine Regionalpartei, die bundesweit auffallen will.