Die "hessischen Verhältnisse" sind Geschichte. Endlich. Das ist die gute Nachricht aus Wiesbaden. CDU und FDP können eine Regierung bilden, die sich auf eine deutliche Mehrheit stützt. Das ist, nach dem Chaos und Gezänk des vergangenen Jahres, schon ein Fortschritt. Die Politik muss handlungsfähig sein, gerade jetzt, da die Wirtschaftskrise wie ein Hurrikan über Deutschland zieht.
Roland Koch, der geschäftsführende und wohl auch künftige Ministerpräsident, wird dennoch bleierne Stunden erleben. Die Menschen haben ihm seinen Imagewechsel vom politischen Pitbull zum gütigen Landesvater nicht abgenommen. Die CDU gewinnt praktisch nichts hinzu, sie stagniert bei rund 37 Prozent - zur Erinnerung: Koch hatte 2002 die absolute Mehrheit errungen. Mit dem jetzigen Ergebnis kann sich Koch als Sieger fühlen, aber es ist ein matter, glanzloser Sieg. In Anbetracht des FDP-Ergebnisses ist es sogar ein unglücklicher Sieg.
Die hessische FDP holte die Sterne vom Himmel - zwischen 16 und 17 Prozent, ein Wert, der die als utopisch empfundene 18-Prozent-Kampagne eines Jürgen Möllemann Realität werden lässt. Dieses Ergebnis zeigt, wie schon die Wahl in Bayern, dass sich im bürgerlichen Lager die Akzente verschieben. Weg von der Union, hin zu FDP und Freien Wählern.
Bange Herzen im Kanzleramt
Das offenbart die Schwäche einer Union, die in der Regierungsverantwortung zur Arroganz der Macht neigt und damit ihre Wähler verprellt. In Bayern waren es das Rauchverbot, das Transrapid-Debakel und die Milliardenverluste der Landesbank. In Hessen dürften es die vergeigte Schulreform, die mediokre Wirtschaftspolitik und der ausländerfeindlich getönte Wahlkampf von 2008 gewesen sein.
Im Berliner Kanzleramt werden sie das Ergebnis dieser Wahl mit bangem Herzen studieren. Denn das, was in Bayern und Hessen passiert ist, könnte sich genauso bei der Bundestagswahl im September vollziehen. Kanzlerin Angela Merkel hat das Profil der CDU bis zur Unkenntlichkeit verwässert, Konservative und Marktliberale bedient sie überhaupt nicht mehr. Wandert diese Klientel zur FDP ab, muss sie mit einem starken, unbequemen Koalitionspartner regieren. Denn sie kommt nicht an der FDP vorbei, wenn die Mehrheiten dafür reichen, auch wenn sie sich insgeheim eine Fortsetzung der Großen Koalition wünschen mag.
Schon jetzt wird die FDP der Kanzlerin häufiger dazwischenfunken, als ihr lieb sein kann. Durch die Wahl in Hessen verliert die Große Koalition ihre Mehrheit im Bundesrat. Bei Gesetzen, die zustimmungspflichtig sind, muss sie mit der FDP verhandeln. Die hat bereits angekündigt, dass sie das Konjunkturpaket wieder aufschnüren will, um weitere Steuersenkungen durchzusetzen, Guido Westerwelle regiert faktisch mit. Also muss "Mutti" Merkel zur Super-Nanny werden, denn sie hat nun gleich vier Parteien an der Hacke (CDU, CSU, SPD, FDP) - auch das ist eine Konsequenz der hessischen Wahl.
Und die hessische SPD? Ach ja. Sie wirkt wie ein Patient, der nach zwei Gehirnschlägen eine lange, lange Rehabilitationsphase antreten muss. Andrea Ypsilanti ist von ihren Partei-Ämtern zurückgetreten, Thorsten Schäfer-Gümbel wird die Salben und Verbände in den kommenden fünf Jahren anreichen müssen. Für die Bundes-SPD ist das kein guter Start ins Wahljahr 2009. Aber wer hat, außer der FDP, mit diesem Ergebnis keine Sorgen? Selbst die Grünen sind angeschmiert. 14 Prozent geholt, herzlichen Glückwunsch, und nun: setzen. Auf die Oppositionsbank.