Mai-Kundgebungen "Ein Drittel der Bevölkerung wird einfach abgeschrieben"

Bei der zentralen Kundgebung zum 1. Mai in Berlin hat der DGB-Vorsitzende Michael Sommer die Bundesregierung scharf kritisiert und einen Konfliktkurs angekündigt.

Bei der zentralen Kundgebung zum 1. Mai in Berlin hat der DGB-Vorsitzende Michael Sommer die Bundesregierung scharf kritisiert und einen Konfliktkurs angekündigt. Die Politik der Regierung sei "weder sozial noch gerecht", sagte Sommer unter dem Beifall der rund 25.000 Teilnehmer vor dem Roten Rathaus. An den bundesweit mehr als hundert Gewerkschaftskundgebungen nahmen laut DGB bis zum Mittag mehr als eine halbe Million Menschen teil.

Ohne SPD-Vertreter

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) nahm - anders als in den Vorjahren - an der zentralen Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) nicht teil. Auch sonst wurde die SPD von keinem Redner vertreten. Ein Regierungssprecher hatte zuvor auf die Termine des Kanzlers aus Anlass der EU-Erweiterung verwiesen. DGB und Kanzleramt erklärten aber auch, bei der jeweils anderen Seite nicht nach einem Auftritt Schröders gefragt zu haben.

Sommer sagte: "Wir dürfen den Konflikten nicht ausweichen und wir müssen sie sowohl in die Gesellschaft als auch in die Betriebe tragen." Der DGB werde "weiter protestieren, bis es endlich wirklich besser wird, und zwar für die Masse der Bevölkerung".

"Ein Drittel wird abgeschrieben"

Millionen Menschen hätten "zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel". Betroffen seien mittlerweile nicht nur Sozialhilfeempfänger, sondern auch Alleinerziehende, arbeitslose Akademiker, Rentner und Jugendliche ohne Ausbildung. Diesen Menschen fühle sich die Regierung nicht mehr verpflichtet. "Die Agenda 2010 ist zum Synonym für die Zweidrittel-Gesellschaft geworden", sagte Sommer. "Ganz offensichtlich wird ein Drittel unserer Bevölkerung einfach abgeschrieben."

Das Land stehe an einem Scheideweg. Es dürfe nicht sein, dass die Großkonzerne die Richtlinien der Politik bestimmten und die Menschen mit dem Verweis auf den globalen Wettbewerb und durch Abwanderungs- Drohungen erpresst würden. Die Entwicklung in Ostdeutschland habe bewiesen, dass Billiglöhne keine Arbeit schafften. Dies dürfe kein Vorbild für die EU-Erweiterung werden, sonst sei der soziale Frieden in Gefahr.

DPA