Die Kritik an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) reißt nicht ab. Nach der Empörung über den Umgang mit seinem Sprecher wird jetzt der Politikstil des Ministers infrage gestellt. Die FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger forderte Schäuble am Mittwoch auf, die Koalitionsfraktionen mit seinen Plänen nicht länger zu überrumpeln. Aus den Ländern wurden die Pläne des Ministers für die Einkommensteuer und die Steuervereinfachung kritisiert.
Am Vortag hatte Schäubles Sprecher Michael Offer den Dienst quittiert, nachdem ihn der Minister von Journalisten öffentlich zurechtgewiesen hatte. Auf den Rücktritt des Sprechers reagierte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans sagte, Merkel habe mit ihrem Minister "ausführlich unter vier Augen gesprochen". Über den Inhalt des Gesprächs werde Stillschweigen bewahrt. "Die Bundeskanzlerin, die Bundesregierung schaut jetzt in die Zukunft", fügte Steegmans hinzu.
FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger forderte Schäuble auf, seine Steuerpläne mit den Koalitionsfraktionen besser abzustimmen. In der schwarz-gelben Koalition müsse darüber gesprochen werden, wie Schäuble sich inhaltlich verhalte, sagte Homburger. Die Kritik der Liberalen werde auch von der Unionsfraktion geteilt. "Wir lassen uns nicht so einfach überrumpeln", sagte die FDP-Politikerin.
Anlass der Kritik war ein Vorschlag des Ministers an die Kommunen zur Sicherung ihrer Finanzen. Schäuble hatte angeregt, dass Kommunen künftig die Möglichkeit erhalten sollten, einen eigenen Zuschlag auf die Einkommensteuer zu erheben. Innerhalb eines bestimmten Rahmens sollen sie die Höhe dieser Steuer selbst bestimmen können. Derzeit erhalten die Kommunen von jedem Euro Lohn- und Einkommensteuer 15 Cent, den Rest teilen sich Bund und Länder je zur Hälfte.
Die FDP lehnt diesen Weg ab. Das sogenannte Hebesatzrecht könne es nur als Ersatz für die konjunkturabhängige Gewerbesteuer geben, heißt es in einem Fraktionsbeschluss. "Alles andere wären bloße Steuererhöhungen und keine qualitative Verbesserung der kommunalen Finanzstruktur."
Homburger sagte, Schäuble habe den Vorschlag so nicht mit den Koalitionsfraktionen besprochen. Das sei ein "bemerkenswerter Vorgang". Sie rief den Minister dazu auf, künftig das Parlament einzubeziehen, damit die Abgeordneten solche Vorschläge nicht aus der Presse erfahren müssten.
Auch in den Ländern wächst der Unmut über Schäubles Pläne, einen Teil der Einkommenssteuer von den Kommunen individuell festlegen zu lassen. Niedersachsens Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) warf Schäuble vor, die verantwortlichen Instanzen komplett zu übergehen. In einem Brief an Schäuble, der dem "Hamburger Abendblatt" vorliegt, schrieb Bode: "Ich halte es für selbstverständlich, dass derart gravierende Überlegungen zur Veränderung der Gemeindefinanzierung zuerst in der Gemeindefinanzkommission diskutiert werden sollen. Hier sind gerade dafür auch Vertreter der Verfassungsorgane eingesetzt worden, die Sie durch Ihr Vorgehen komplett übergangen haben."
Außerdem stößt der Bundesfinanzminister mit seinen Plänen für eine Abgabe der Steuererklärung nur alle zwei Jahre auf Widerstand der Länder. Bei einer Besprechung mit den Steuerabteilungsleitern der 16 Länder sei das Vorhaben einhellig scharf kritisiert worden, berichtete die "Berliner Zeitung". Die Länder beklagten, dass die Pläne weder bei den Arbeitnehmern noch bei der Steuerverwaltung zu einer Vereinfachung führten. Bei den Finanzämtern entstünden sogar Mehrausgaben.

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Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums bestätigte, auf einer Sitzung der Steuerabteilungsleiter von Bund und Ländern seien Schäubles Steuererklärungspläne "kontrovers diskutiert" worden. "Es ist darüber politisch noch nicht entschieden worden", betonte der Sprecher. Anfang Dezember werde sich der Koalitionsausschuss damit befassen.