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Neuberechnung der Hartz IV-Regelsätze Wenig Leistung, wenig Geld

Ursula von der Leyens Hartz-IV-Vorstoß ist begrüßenswert. Dennoch bleibt: Wer zu einer Gesellschaft nichts beiträgt, muss sich mit dem Minimum zufrieden geben.
Ein Kommentar von Theresa Breuer

Im Februar sprach das Bundesverfassungsgericht ein Machtwort: Die Berechnung der Hartz IV-Regelsätze sei intransparent, nicht nachvollziehbar und realitätsfern. Insbesondere die 1,7 Millionen Kinder in Hartz IV-Familien müssten besser gestellt werden. Die willkürliche Festlegung der staatlichen Fürsorge soll ein Ende haben, so das Urteil der Verfassungsrichter.

Nun hat Arbeitsministerin Ursula von der Leyen den Vorschlag gemacht, die Regelsätze nicht mehr wie die Renten steigen zu lassen, sondern sie stattdessen an die Entwicklung der Nettolöhne und der Inflation zu koppeln. Dieser Vorstoß ist richtig und fair, würde er doch die Hartz IV-Sätze der Preisentwicklung anpassen und somit von einem guten Stück Willkür befreien. Denn: Steigt die Inflation, steigen auch die Preise. Da sich Hartz IV-Empfänger in einem engen finanziellen Spektrum bewegen, können kleine Preissteigerungen schon einen erheblichen Unterschied in der Lebensqualität ausmachen.

Auch zu der Anmahnung, Kinder von Hartz IV-Familien müssten besser gestellt werden, hat von der Leyen einen begrüßenswerten Vorschlag gemacht. Ein Teil der Hilfen für Kinder soll in Zukunft in Gutscheinen erbracht werden. Diese Gutscheine könnten dann für Sportkurse oder Nachhilfeunterricht genutzt werden. Derlei Angebote käme nicht nur Kindern direkt zu Gute, sie würden Hartz IV-Empfänger auch endlich von dem Vorwurf befreien, sie würden das Geld ihrer Kinder für "sachfremde Zwecke" - sprich: Zigaretten und Alkohol - verpulvern.

Konkrete Pläne ab Mitte August

Wie sich die Vorschläge der Arbeitsministerin in Zahlen auswirken werden, ist noch unklar. Konkrete Pläne will von der Leyen erst Mitte August vorstellen. Theoretisch müsste sich an dem momentanen Hartz IV-Regelsatz von 359 Euro im Monat gar nichts ändern - er müsste nur neu und verfassungskonform begründet werden. Dennoch geht zum Beispiel der "Spiegel" davon aus, dass die Regelsätze deutlich steigen werden - auf ungefähr 400 Euro im Monat.

Das macht insbesondere der CDU Sorgen. So warnt etwa der stellvertretende Unionsfraktionschef Michael Fuchs, dass Hartz IV nicht attraktiver werden dürfe als Arbeit. CSU-Sozialpolitiker Max Straubinger schlägt in die gleiche Kerbe: Es sei seiner Ansicht nach "nicht wünschenswert", dass die Regelsätze steigen. "Man muss das Lohnabstandsgebot beachten, gerade jetzt, wo der Arbeitsmarkt beginnt, Arbeitslose aufzunehmen", so Straubinger zur "Welt".

Hungern und frieren soll niemand

Tatsächlich sollte sich der Staat davor hüten, Geldgeschenke zu verteilen und so jeden Anreiz, sich durch Arbeit selbst zu versorgen, zunichte machen. Und wer zu einer Gesellschaft nichts beiträgt - etwa indem er Steuern zahlt - darf von der Gesellschaft im Gegenzug nicht erwarten, über das Existenzminimum hinaus versorgt zu werden. Hungern und Frieren soll jedoch niemand in Deutschland. Und wenn das Arbeitsministerium zu dem Schluss kommen sollte, dass Empfänger staatlicher Hilfen inzwischen mehr zur Verfügung haben müssen als 359 Euro um gemäß unserer sozialstaatlichen Prinzipien leben zu können, wäre das völlig in Ordnung.

Was die Herren der Union sagen, verdeutlicht eher, dass es in Deutschland einen gesetzlichen Mindestlohn geben müsste - den aber genau diese Herren ablehnen. Nur ein ausreichend hoher Mindestlohn würde es jedem arbeitenden Menschen ermöglichen, ein Leben zu führen, das sich deutlich von dem eines Hartz IV-Empfängers unterscheidet. Dieses politische Defizit lässt sich nicht damit kompensieren, dass die Hartz IV-Sätze nicht erhöht werden dürfen.

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