Bundeskanzler Olaf Scholz stellt sich im Bundestag den Fragen der Abgeordneten. Bei der mit Spannung erwarteten Regierungsbefragung dürfte es vor allem um eine die Haushaltsentscheidung des Verfassungsgerichts vom Vormittag geben. Der Auftritt des Kanzlers zum Nachlesen.
Es ist eine krachende Niederlage für die Ampel in Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht hat an diesem Mittwoch entschieden, dass der sogenannte Klima- und Transformationsfonds in Höhe von rund 60 Milliarden Euro gegen das Grundgesetz verstößt. Die Bundesregierung wollte nicht abgerufene Corona-Hilfsgelder im Haushalt 2021 rückwirkend umschichten – und so die in der Verfassung vorgeschriebene Schuldenbremse umgehen. Geklagt hatten CDU und CSU.
Bundeskanzler Olaf Scholz spricht im Bundestag
Ausgerechnet am Tag der Verkündung der Entscheidung muss sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag den Fragen der Abgeordneten stellen. Zunächst wird er wenige Minuten über ein selbst gewähltes Thema reden, anschließend nehmen ihn die Parlamentarier ins Kreuzverhör.
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Die Grüne Jugend greift nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Finanzminister Christian Lindner (FDP) scharf an. „Dieser Tag zeigt, dass Christian Lindners Kleben an der Schuldenbremse eine Gefahr für unsere Demokratie, aber auch den ganzen Planeten ist“, sagte die Co-Vorsitzende Svenja Appuhn dem stern. „Eine gute Zukunft kann es nur ohne die Schuldenbremse geben.“ Appuhn fordert die Bundesregierung dazu auf, die Schuldenbremse jetzt kurzfristig auszusetzen und „massive Investitionen für Klimaschutz und in die Demokratie“ auf den Weg zu bringen.
Grundsätzlich gelte aber auch: „Wir werden die Klimakrise nur bekämpfen können, wenn wir die Verteilungsfrage stellen“, so Appuhn. „Es führt kein Weg daran vorbei: Wir müssen die Steuern für die Superreichen erhöhen, um die notwendigen Investitionen in den Klimaschutz zu tätigen und den sozialen Ausgleich für ärmere Haushalte zu finanzieren.“
Damit ist die Regierungsbefragung langsam am Ende. Anfangs ging es um die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgericht, danach gab es einen wilden Ritt durch verschiedene Politikfelder. Scholz blieb Scholz, antwortete ruhig und sachlich – und sagte bisweilen mit vielen Worten wenig. Ein Kreuzverhör war diese Regierungsbefragung nicht.
Die AfD-Fraktion schneidet das Thema "Cum-Ex" und die Recherchen des stern zu verschwundenen Laptops in dem Fall an. "Zu dem Thema gibt es nichts Neues zu sagen", meint Scholz und: "Da wird nichts offen bleiben." Leises Gelächter im Plenum ...
Themen, so bunt wie das Leben, hält die Regierungsbefragung bereit: CSU-Abgeordnete Dorothee Bär will die Haltung des Kanzlers zu einem "Sexkaufverbot", sprich: Prostitutionsverbot, in Erfahrung bringen. "Wir müssen viel unternehmen, um die Prostitution zurückzudrängen." Konkrete Maßnahmen zaubert Scholz aber nicht aus der Tasche. Nachfrage: "Finden Sie es als Feminist akzeptabel, wenn Männer Frauenkörper kaufen können?" – "Das hat mich moralisch immer empört", stellt Scholz klar.
Apropos abrupter Themenwechsel: Die Linke möchte wissen, wann der Kanzler endlich ein "Machtwort" beim Wohnungsmangel und den hohen Mieten in Deutschland spreche. Scholz wolle sich die "billige Retourkutsche" ersparen, antwortet er – aber erspart sie sich nicht. Sei es nicht die Linke gewesen, die im diesbezüglich sehr teuren Berlin lange mitregiert habe? Die Bundesregierung habe jedenfalls zusätzliche Mittel für den Wohnungsbau (18 Milliarden Euro) mobilisiert. Soll heißen: Am Bund liegt's nicht. Dann entwickelt sich ein kurioser Schlagabtausch. Die Linke hakt nach: Habe nicht die SPD viele Jahre die Erste Regierende Bürgermeisterin in Berlin gestellt? Konter Scholz: Also als er Bürgermeister in Hamburg war… Kurz: Scholz und die Linke kommen bei der Wohnungsthematik nicht auf einen Nenner.
Die Regierungsbefragung bedeutet auch immer abrupte Themenwechsel. Aus seiner Fraktion wird SPD-Kanzler Scholz nun zur Außenpolitik befragt. Konkret geht es um die Möglichkeiten der Bundesregierung, den von der Hamas festgehaltenen deutschen Geiseln zu helfen. "Wir sind natürlich im Gespräch mit den Vertretern der Regierungen in der Region", betont Scholz. Darin gehe es auch darum, dass die Menschen "bedingungslos" freigelassen werden. "Wir bemühen uns."
Eine kleine Beobachtung von der Pressetribüne im Bundestag: Scholz spricht sehr leise. Das ist für den Kanzler nicht ungewöhnlich – so verschafft er sich gern mal Gehör (im buchstäblichen Sinne). In diesem Fall möchte der Kanzler möglicherweise etwas Aufregung aus dem Rund nehmen, die sich zu Beginn der Sitzung über die Reihen gelegt hatte: Höhnisches Lachen aus der Opposition, demonstratives Konterklatschen der Ampel-Fraktionen. Aber vielleicht spricht Scholz, ganz Scholz, auch einfach nur leise.
"Wir werden alle Fragen, die sich aus der Entscheidung ergeben, durchleuchten", kündigt der Kanzler an. Die Entscheidung werde Auswirkungen auf die seit Jahrzehnten geübte finanzpolitische Praxis haben. Welche? Lässt Scholz offen.
Die erste Frage lässt der Kanzler schonmal abperlen. Paraphrasiert: Wer sich den Murks mit dem Klimatransformationsfonds ausgedacht habe?, fragt die Union. Scholz, sinngemäß: Da könne man anderer Auffassung sein. Nächste Frage bitte!
Nach Scholz' Eingangsstatement beginnt nun die Befragung des Bundeskanzlers durch die Abgeordneten.
"Und jetzt gehen wir zum Bundestag", sagte Scholz vor wenigen Minuten – und um Punkt 13.00 Uhr ist er tatsächlich unter der gläsernen Reichstagskuppel erschienen. Das ging schnell, obwohl Eile nun nicht geboten sei: Nach dem Knall aus Karlsruhe sei nun "eine sorgfältige Prüfung" des Urteils geboten und "kein Schnellschuss", sagt der Kanzler. Da gibt es Applaus aus den Ampel-Reihen – vielleicht erleichtert nach den hektischen Stunden zuvor. Nach Gesprächen mit den Ampel-Fraktionsspitzen ist Scholz zuversichtlich, dass die Haushaltsberatungen wie geplant fortgesetzt werden könnten. Dennoch: Auch wenn die einzelnen Auswirkungen des Richterspruchs noch nicht abgesehen werden könnten, so habe das Urteil "natürlich unmittelbare Konsequenzen" für den Klimatransformationsfonds und die 60 Milliarden Euro, die nun nicht mehr zur Verfügung stünden.
Gleich geht es los: Bundestagspräsidentin Bärbel Bas eröffnet die Sitzung, Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung (Bundeskanzler).
stern-Politikchef Nico Fried sagt zur Karlsruher Entscheidung: Schlimmer hätte das Urteil für die Ampel nicht ausfallen können. Seinen Kommentar lesen Sie hier:
"Und jetzt gehen wir zum Bundestag", beendet Olaf Scholz nach wenigen Minuten das Pressestatement.
Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck weist darauf hin, dass die Entscheidung vielfältige Auswirkungen habe, etwa bei der energetischen Sanierung von Gebäuden oder bei der Errichtung von Ladesäulen für E-Autos. "Alle zugesagten Verpflichtungen werden eingehalten", sagt Habeck. Neue Verpflichtungen würden dagegen erst eingegangen, wenn es neue Wirtschaftspläne gibt.
