Der ARD-Vorsitzende Fritz Raff und ZDF-Intendant Markus Schächter haben in einem gemeinsamen Brief an die für die Medienpolitik in Deutschland zuständigen Bundesländer die Verleger angegriffen.
ARD und ZDF wollen im Internet möglichst unbeschränkt Angebote machen können. Alle großen Verlage von Springer über Burda bis zu Gruner+ Jahr, zu dem auch stern.de gehört, wehren sich dagegen, weil sie fürchten, dass die mit jährlich rund sieben Milliarden Euro Gebühren finanzierten öffentlich-rechtlichen Sender den Wettbewerb im Internet verzerren oder gar zunichte machen würden.
In dem Schreiben vom 14. April an die Landesregierung Rheinland-Pfalz, das stern.de vorliegt, drehen die Chefs von ARD und ZDF dieses Argument nun um und unterstellen den Zeitungs- und Zeitschriftenverlegern "Marktabschottungsinteressen". Der "Schutz von Erwerbschancen" dürfe nicht die publizistische Vielfalt beschränken, so Raff und Schächter.
Entwurf setzt ARD und ZDF enge Grenzen
Das Schreiben der beiden Senderchefs richtet sich gegen die erklärte Absicht einiger Länder, den Onlineaktivitäten von ARD und ZDF enge Grenzen zu setzen. In einem Arbeitsentwurf des neuen Rundfunkstaatsvertrags, der die Medienordnung regelt, ist vorgesehen, dass ARD und ZDF online lediglich begleitend zum TV-Programm tätig werden dürfen. Alle Inhalte müssen nach sieben Tagen wieder aus dem Netz genommen werden. Vor allem aber dürfen die Gebührensender nach dem Entwurf nicht als Textanbieter auftreten. "Elektronische Presse findet nicht statt", heißt es im Entwurf. Damit soll sichergestellt werden, dass die Sender mit ihren Gebührenmilliarden nicht den sich gerade erst entwickelnden publizistischen Wettbewerb von Anbietern wie "Spiegel online", "sueddeutsche.de" oder auch stern.de behindern. Traditionell dürfen ARD und ZDF auch keine Zeitungen oder Zeitschriften herausgeben.
Doch gegen die Beschränkungen im Internet wehren sich ARD und ZDF mit Macht. Das 15-seitige, engbedruckte Schreiben widmet sich zu einem Drittel nur dem Thema Online. Die Öffentlich-Rechtlichen wehren sich gegen die "rigiden Begrenzungen". Diese, so behaupten sie, lägen nicht in "den berechtigten Interessen der Bürger als Verbraucher und Nutzer".
Raff und Schächter fahren schweres Geschütz auf: Würde der Staatsvertrag so verabschiedet, wäre die Funktion von ARD und ZDF "dauerhaft beschädigt". Die Regelungen griffen "die publizistische Relevanz öffentlich-rechtlicher Medienangebote im Kern an", heißt es in dem Schreiben.
Öffentlich-rechtliche Sender hoffen auf Verjüngung des Publikums
Die öffentlich-rechtlichen Sender wittern im Internet die Chance, der zunehmenden Vergreisung ihres Publikums entgegenwirken zu können. Manche Sendungen bei ARD und ZDF werden im Schnitt von knapp 70-Jährigen gesehen. Da Onlinemedien - ob nun von Tageszeitungen betrieben oder von Magazinen - aber stark auf Texten aufbauen und das bewegte Bild nur eine Ergänzung darstellt, sehen die Gegner des öffentlich-rechtlichen Expansionsstrebens gar keinen Spielraum für ARD und ZDF. Hinzu kommt, dass ein publizistischer Wettbewerb gerade erst entsteht.
Der Streit wird weitergehen. Im Juni beraten erstmals die Ministerpräsidenten über den Rundfunkstaatsvertrag. Mit sehr unterschiedlichen Positionen: Während SPD-Chef Kurt Beck ARD und ZDF im Internet freie Fahrt lassen will, hat sich Bayerns Ministerpräsident Beckstein für sehr enge Grenzen ausgesprochen. Mit einer Verabschiedung des Runfunkstaatsvertrags wird deshalb erst im Oktober gerechnet.