Hubert Pätzmann ist 50 Jahre alt, verheiratet und arbeitet als Bundespolizist normalerweise in Bad Bramstedt. Doch auch im Ausland seinen Dienst zu verrichten ist für den Norddeutschen nichts Ungewöhnliches. Dutzende Male begleitete er abgeschobene Ausländer in ihr Heimatland und erlebte dort auch gefährliche Situationen. Einige Kollegen ließen bei solchen Rückführungen sogar ihr Leben. "Ich würde auch an einem Einsatz in Afghanistan teilnehmen", sagt Pätzmann. Dort bilden derzeit 40 Polizisten von Bund und Ländern afghanische Polizeischüler im Rahmen der deutschen Führungsverantwortung für den landesweiten Aufbau der afghanischen Polizisten aus. Die Aufgabe reizt Polizist Pätzmann, wobei ihm die damit verbundenen Risiken bewusst sind.
Anders als Zeit- und Berufssoldaten der Bundeswehr müsste sich Pätzmann zu einem Einsatz in Afghanistan freiwillig melden. Laut geltendem Beamtenrecht können Polizisten dazu nicht verpflichtet werden. Doch weil die Ausbildung der afghanischen Polizei derzeit nur schleppend vorankommt, da nicht ausreichend Ausbilder zur Verfügung stehen, sehen insbesondere zahlreiche Verteidigungspolitiker dringenden Handlungsbedarf. Im Gegensatz zu den Gewerkschaften der Polizei unterstützen sie den Vorschlag von Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU), eine Dienstpflicht von Bundespolizisten für Auslandseinsätze einzuführen.
Feldjäger sind Lückenbüßer
"Es kann nicht sein, dass die Feldjäger der Bundeswehr immer wieder als Lückenbüßer bei eigentlichen Polizeieinsätzen einspringen müssen", meint Elke Hoff (FDP), Mitglied des Verteidigungsausschusses. "Die Feldjäger werden zur Ausbildung von Polizisten in Afghanistan eingesetzt, weil sich bei der Polizei nicht genügend Personal freiwillig meldet", sagt Hoff. Daher hält es auch Ulrike Merten (SPD), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, für notwendig, das Prinzip der Freiwilligkeit bei Polizisten zu überprüfen. "Aber gleichzeitig muss die Polizei auch materiell in die Lage versetzt werden, solche Auslandseinsätze leisten zu können", betont Merten.
Unterstützung erhalten die Verteidigungspolitikerinnen vom innenpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz. "Häufig muss das Militär im Ausland noch notgedrungen Polizeiaufgaben wahrnehmen", so Wiefelspütz. Angesichts der steigenden Zahl von Auslandseinsätzen müsse die Bundeswehr davon entlastet werden. Eine stärkere Arbeitsteilung zwischen Polizei und Militär werde immer notwendiger, weshalb man auch über eine Verpflichtung von Bundespolizisten nachdenken müsse, so Wiefelspütz.
Bereitschaft nur "ausreichend"
Dass zu wenig Bundespolizisten für Auslandseinsätze zur Verfügung stehen, zeigt eine aktuelle Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der FDP. Darin beurteilt die Bundesregierung die Bereitschaft der Polizei für Auslandseinsätze nur als "ausreichend". Mehr noch. Auf die Frage, in welchem Umfang die Bundesregierung Polizeieinsätze wie in Afghanistan aktuell für praktisch umsetzbar hält, heißt es: "Auch wenn man davon ausgeht, dass sich Verbesserungen bei der Koordinierung erzielen lassen, können nicht alle außenpolitisch prioritären Anforderungen erfüllt werden. Der Aufbau einer größeren Zahl schnell und flexibel einsetzbarer Polizeikräfte hat daher zentrale Bedeutung. Ein nachhaltiger Kapazitätenaufwuchs wird den Einsatz von deutlich mehr Mitteln erfordern."
Trotzdem strebe Deutschland an, die Zahl deutscher Polizeibeamter zu erhöhen - angesichts der fehlenden Freiwilligen ein überaus ehrgeiziges Ziel. Weitere finanzielle Anreize für Auslandsverwendungen plant die Regierung nicht. Einsätze wie in Afghanistan werden bereits jetzt mit der höchsten Stufe des Auslandsverwendungszuschlags, gegenwärtig etwa 92 Euro täglich, vergütet.
Freiwillige sind schwer zu finden
Die Schwierigkeit, Freiwillige für Einsätze wie in Afghanistan zu finden, bestätigt auch der ehemalige Parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium und derzeitige stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Fritz Rudolf Körper. "Es war schon zu meiner Zeit schwierig, Leute für Auslandseinsätze zu finden", sagt der SPD-Politiker, der von 1998 bis 2005 Staatssekretär war. Im Zuge des Konzepts zur Neustrukturierung der Bundespolizei, das Schäuble in den nächsten Wochen öffentlich bekannt geben will, dürfe man daher eine offene Diskussion über eine Dienstpflicht nicht scheuen, mahnt Körper. Im Innenministerium wird Schäubles Vorschlag allerdings derzeit nicht weiter verfolgt. "Der Vorschlag war eine politische Vision von Minister Schäuble und mündete noch nicht in einen konkreten Arbeitsauftrag", so ein Sprecher gegenüber stern.de.

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Die Diskussion um den Einsatz der Feldjäger hat auch eine außenpolitische Dimension. So stellte Anthony Cordesman, ein anerkannter US-Sicherheitsfachmann vom "Center for Strategic and International Studies", nach einer Afghanistan-Reise im November 2006 fest: "Als internationale Führungsnation für Polizeiarbeit ist Deutschland daran gescheitert, eine effektive Polizei aufzubauen". Wie Cordesman meint auch der deutsche Bundeswehrverband, dass Deutschland die Zeit in den letzten drei Jahren für die Polizeiausbildung vertan habe. "Was uns nachdenklich macht", sagt der stellvertretende Vorsitzende Oberstleutnant Ulrich Kirsch, "ist die Tatsache, dass sich Deutschland in Afghanistan als Führungsnation verpflichtet hat, obwohl man wusste, dass bereits im Kosovo starke Polizeipräsenz erforderlich ist, die Innere Sicherheit nicht wesentlich besser werde und man 7000 Stellen bei der Polizei abbaut."