Die privaten Krankenkassen wollen nahezu geschlossen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Gesundheitsreform der großen Koalition klagen. 47 von 48 Unternehmen des Branchenverbandes hätten sich für diesen Weg entschieden, sagte Sprecherin Ulrike Pott in Köln. Die Neuerungen gingen zu Lasten der private Krankenversicherung (PKV) und seien ein rechtswidriger Eingriff in die unternehmerische Freiheit. Die Klage solle möglichst bis Jahresende eingereicht werden. Möglich sei dies allerdings bis zu einem Jahr nach In-Kraft-Treten des Gesetzes, also bis zum 31. März.
Die neuen Regelungen führten zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen für die PKV, sagte Pott. Diese ergäben sich aus der Summe der verschiedenen Einzelmaßnahmen. So wehren sich die Kassen gegen den ab 2009 vorgeschriebenen Basistarif, der dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar sein muss und ihren Höchstbeitrag nicht überschreiten darf. Der PKV werde hier ein Geschäftsmodell übergestülpt, was nicht hinnehmbar sei.
Privatversicherte müssen 2009 mindestens zehn Prozent mehr zahlen
Darüber hinaus stoßen sich die privaten Unternehmen an der Mitnahmemöglichkeit angesparter Altersrückstellungen im Falle eines Versicherungswechsels. Die privaten Kassen beklagen, dass ihre Mitglieder nicht in den Genuss von Steuermitteln kommen wie sie zur Finanzierung familienpolitischer Leistungen an die gesetzliche Krankenversicherung gezahlt werden.
Mitglieder der privaten Krankenversicherung müssen nach Schätzung des PKV-Verbands ab 2009 wegen der Gesundheitsreform mindestens zehn Prozent mehr zahlen, so Verbandschef Reinhold Schulte. Die Tarife für neue Kunden würden um mindestens zwölf Prozent steigen. So viel koste es die Versicherungen allein, dass Kunden künftig bei einem Versicherungs- oder Tarifwechsel ihre Altersrückstellungen teilweise mitnehmen dürfen, meinte Schulte.
Bisher geht das nicht, deshalb können ältere PKV-Versicherte kaum noch die Versicherung wechseln, ohne erheblich drauf zu zahlen. Schulte kritisierte, die Koalition plane einen Eingriff in bestehende Verträge. "So etwas hat es in der Geschichte der deutschen Krankenversicherung noch nie gegeben. Damit unterhöhlt die Koalition das Vertrauen in den Rechtsstaat." Zuvor hatte die PKV vor Beitragssteigerungen von 50 Prozent oder mehr gewarnt.
Auch Köhler hat zweifel an der Verfassungsmäßigkeit
Wegen der umstrittenen Regelungen zur privaten Krankenversicherung waren von einzelnen Verbänden und Rechtspolitikern Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Gesundheitsreform geäußert worden. Zwei Gesetzesvorhaben hatte Bundespräsident Horst Köhler im vergangenen Jahr wegen Bedenken seine Unterschrift verweigert. Erst Anfang März war Köhler die fast 600 Seiten umfassende Gesundheitsreform zugeleitet worden.
Zu den Kernpunkten der Reform zählen die Einführung des Gesundheitsfonds als zentrale Beitragssammelstelle im Jahr 2009. Von diesem Zeitpunkt an gilt für gesetzlich Versicherte ein bundesweit einheitlicher Beitragssatz. Neu ist zudem eine allgemeine Pflicht zur Krankenversicherung. Die rund 200.000 bis 300.000 Nichtversicherten müssen also in die gesetzlichen und privaten Kassen zurückkehren.