Die von der Bundesregierung eingesetzte Rürup- Kommission zur Reform der Sozialsysteme will mit einem späteren Renteneintritt und einem gedämpften Rentenanstieg das System der Alterssicherung langfristig stabilisieren. Die Gewerkschaften lehnen alle bisherigen Vorschläge für die im Herbst geplante Rentenreform der rot-grünen Bundesregierung ab. Eine Nullrunde für die Rentner im kommenden Jahr stößt bei CDU-Chefin Angela Merkel, aber auch in der SPD auf Widerstand. Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) schließt dagegen eine weitere Nullrunde nicht aus. Wie eine polis-Umfrage im Auftrag der dpa ergab, glaubt jeder Zweite in Deutschland nicht an eine ausreichende gesetzliche Rente und hat deshalb zusätzlich privat für das Alter vorgesorgt.
Erhöhung des Eintrittsalters auf 67 Jahre
Die Regierungs-Kommission unter Leitung des Sozialexperten Bert Rürup schlägt laut "Bild am Sonntag" in ihrem Abschlussbericht eine schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre zwischen den Jahren 2011 und 2025 vor. Eine Frühverrentung soll erst ab einem Alter von 64 Jahren möglich sein. Die Experten raten dazu, "den Anstieg der Renten in Zukunft zu dämpfen und damit die Beitragszahler zu entlasten", zitiert das Blatt aus dem ihr vorliegenden Bericht, der Ende August veröffentlicht werden soll. Die Rentenformel soll danach um einen "Nachhaltigkeitsfaktor" ergänzt werden. Dadurch werde die Rentenerhöhung im Schnitt um jährlich 0,5 Prozent niedriger ausfallen als nach der jetzigen Formel. Bei einer Umsetzung ihrer Vorschläge geht die Rürup-Kommission davon aus, dass der Rentenversicherungsbeitrag nicht über 22 Prozent steigen wird.
Gewerkschaften laufen Sturm
Die DGB-Vizevorsitzende Ursual Engelen-Kefer lehnte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" alle bisher diskutierten Einschnitte bei den Leistungen für die Rentner ab. Eine weitere drastische Senkung des Rentenniveaus sei nicht zumutbar und stelle auch die gesetzliche Rentenversicherung insgesamt in Frage. Statt einer Anhebung des Renteneintrittsalters schlug sie vor, den faktischen Eintritt von jetzt knapp 60 Jahren um ein oder zwei Jahre zu verschieben. Auch der designierte Vizevorsitzende der IG Metall, Berthold Huber, sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", es sei nicht hinzunehmen, dass der faktische Renteneintritt bei 61 Jahren liege. "Ziel muss sein, das anzuheben."
Merkel gegen Nullrunde
CDU-Chefin Angela Merkel forderte eine Berechenbarkeit in der Rente. "Was ich falsch finde, ist, eine Nullrunde zu machen", sagte sie im ZDF-Sommerinterview, das am Sonntag ausgestrahlt wird. Die Rentner dürften nicht von Jahr zu Jahr von der Hand des Finanzministers abhängen. Sie plädierte dafür, eine Rentenformel in Kraft zu setzen, "die den Alterungsprozess wieder beschreibt".
Schröder kündigt Begrenzung der Rentenzuwächse an
Die Rürup-Kommission schreibt nach Angaben der "Welt" in ihrem Abschlussbericht, eine Nullrunde im nächsten Jahr werde dazu führen, dass "der Beitragssatz dauerhaft um 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte gesenkt werden könnte". Rürup begrüßte die Ankündigung von Bundeskanzler Schröder, die Rentenzuwächse in den kommenden Jahren zu begrenzen. Der Kanzler hatte gesagt, die Alterseinkommen könnten künftig nicht mehr so steigen wie in der Vergangenheit.

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Trittin macht wirtschaftliche Lage für Stagnation der Renten verantwortlich
Trittin sagte der "Bild am Sonntag": "Wenn die wirtschaftliche Situation so schlecht ist wie jetzt, kann es sein, dass es ein oder zwei Jahre lang für die Rentner keine Erhöhung ihrer Altersbezüge gibt, weil auch die Löhne und Gehälter derjenigen, die die Rente erarbeiten, praktisch nicht ansteigen." Der Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR), Franz Ruland, sagte der "Welt am Sonntag", eine Nullrunde bei den Renten werde nicht ausreichen, die Probleme der Rentenkasse zu lösen.
Rüttgers will Abschaffung des gesetzlichen Rentenalters
Der Rentenexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Peter Dreßen, sagte dagegen in der "Welt", für den Durchschnittsrentner seien Nullrunden nicht verkraftbar. "Eine Erhöhung des Rentenversicherungsbeitrages um 0,2 auf 19,7 Prozent ist sinnvoller als Nullrunden für Rentner." Auch Unions-Fraktionsvize Friedrich Merz (CDU) kritisierte die Pläne. FDP- Fraktionschef Wolfgang Gerhardt sagte: "Nullrunden ohne Rentenreform bringen überhaupt nichts." Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Jürgen Rüttgers sprach sich in der "Welt am Sonntag" dafür aus, das gesetzliche Rentenalter abzuschaffen und stattdessen auf freiwillige Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu setzen.