Die angespannte Miene des braun gebrannten Hamburger Bürgermeisters wich einem freudigen Strahlen. «Ich bin erleichtert, weil geheime Wahlen immer ein Risiko sind», atmete Ole von Beust (CDU) auf. 27 Minuten nach Sitzungsbeginn hatte Bürgerschaftspräsidentin Dorothee Stapelfeldt (SPD) am Mittwochnachmittag das für Beust erlösende Ergebnis verkündet: Dirk Nockemann - früherer Weggefährte und heutiger Intimfeind des geschassten Innensenators Ronald Schill - war als dessen Nachfolger bestätigt. Die Regierungsmehrheit stand.
Die Abgeordneten von CDU, Schill-Partei und FDP applaudierten und CDU-Fraktionschef Michael Freytag überreichte «Schill-Mann» Nockemann einen Blumenstrauß. Die Uhr am Turm des ehrwürdigen Hamburger Rathaus war auf 15.28 Uhr gerückt, als die vorerst letzte Folge der Polit-Seifenoper um Ronald Schill zu Ende ging. Hauptdarsteller war nach seinem tiefen Absturz erneut Ronald Barnabas Schill.
Vier Minuten Verspätung
Er sorgte schon vor Beginn der Bürgerschaftssitzung für Spannung. «Kommt er oder kommt er nicht?» war die meistgestellte Frage. Mit vier Minuten Verspätung betrat der 44-Jährige schließlich den Plenarsaal, setzte sich auf den ihm zustehenden Lederklappsitz mit der Nummer 81 in die hinterste Reihe - und sonnte sich im Blitzlichtgewitter der Fotografen.
Aus seiner Fraktion schlug dem Gründungsvater der populistischen Bewegung wenig Sympathie entgegen. Nur Fraktionschef Norbert Frühauf schüttelte dem neuen Abgeordneten demonstrativ die Hand. Und von Ex-Lebenspartnerin Katrin Freund bekam Schill Wangenküsschen.
Erhobenen Hauptes und mit zu einem Lächeln gefrorener Miene schritt der einst erste und jetzt 25. Abgeordnete seiner Partei zur Wahlkabine. Als das Abstimmungsergebnis verkündet wurde, war er aber bereits wieder aus dem Saal verschwunden - nicht ohne eine Botschaft an Beusts Koalition zu hinterlassen. Er werde verhindern, dass seine Partei «ein Wurmfortsatz der CDU wird».
Vier verweigerten die Stimme
Inwieweit der begnadete Selbstdarsteller seine künftigen Auftritte von den hinteren Rängen aus medial inszenieren kann, ist offen. Für Bürgermeister Beust wird es in der Nach-Schill-Ära zumindest nach Lesart der Opposition nicht leichter werden. SPD-Fraktionschef Walter Zuckerer verwies darauf, dass immerhin vier Abgeordnete aus dem Regierungslager Nockemann die Stimme verweigerten.

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Beust zeigte sich zwar locker: «Eine Mehrheit ist eine Mehrheit». Zu Denken geben dürfte ihm das Abstimmungsergebnis aber dennoch - zumal nach Berichten aus der Bürgerschaft die zwei als ungültig gewerteten Stimmzettel mit Nein-Kreuzen und zusätzlichen Strichen versehen gewesen sein sollen. «Bei der nächsten Abstimmung wird der Bürgermeister wieder zittern müssen», meinte Zuckerer. Eine Entscheidung über Neuwahlen steht bereits in drei Wochen an. SPD und GAL haben die vorzeitige Auflösung der Bürgerschaft beantragt.