Schlichtungsgespräche drohen zu scheitern Geißlers schwierige Bahnhofs-Mission

Der Stuttgart-21-Vermittler Heiner Geißler will Gegner und Befürworter des Bahnprojekts am Donnerstag an einen Tisch bringen. Doch ob es überhaupt so weit kommt, ist fraglich.

Heiner Geißler sehnt sich wahrscheinlich schon zurück nach den Zeiten, in denen er in Tarifkonflikten vermitteln musste. Denn die Aufgabe, Gegner und Befürworter des Bahnprojektes Stuttgart 21 zu einem Dialog zu führen, wird täglich schwieriger. Seine Mission in Stuttgart droht schon nach wenigen Tagen zu scheitern.

Geißler hatte Zugeständnisse der Bahn für möglich gehalten. Doch Bahnchef Rüdiger Grube zeigt sich unnachgiebig: Am Montagabend lehnte er einen Bau- und Vergabestopp kategorisch ab - dabei erwartete Geißler erst am nächsten Morgen eine Antwort. Die Gegner des 4,1 Milliarden Euro teuren Bahnprojektes sprechen schon von einer Demontage des ehemaligen CDU-Generalsekretärs.

Alles dreht sich um den Begriff Bau- und Vergabestopp. Denn die Stuttgart-21-Gegner wollen, dass während der Gespräche keine unumkehrbaren Fakten auf der Baustelle geschaffen werden. Dies hatte Geißler zunächst auch so gesehen, um dann von Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) zurückgepfiffen zu werden.

Der Tübinger Politologe Hans-Georg Wehling meint: "Geißler hat gesagt, wenn wir hier verhandeln, können doch vor dem Fenster nicht die Bagger vorbeifahren - da wird er nicht wieder druntergehen können. Alles andere beeinträchtigt die Verhandlungsatmosphäre enorm."

Ob es überhaupt zu Verhandlungen der beiden gegnerischen Parteien kommt, hängt auch von dem Gespräch zwischen Geißler und den Stuttgart-21-Gegnern am späten Dienstagnachmittag ab, in dem Bedingungen für den Dialog ausgelotet werden sollten. "Ich habe die Nase voll von der Disqualifizierung eines Vermittlers, den die Regierungsseite vorgeschlagen hat. Deshalb sprechen wir heute Abend mit ihm selber", schimpft der Fraktionschef der Grünen im Gemeinderat, Werner Wölfle.

Was Geißler für sein Treffen im Stuttgarter Rathaus im Gepäck hatte, war wenig: Der Südflügel des Hauptbahnhofs wird vorerst nicht angetastet, wobei der Abriss derzeit ohnehin nicht ansteht. Im Schlossgarten werden zunächst keine Bäume gefällt; die 80 Bäume um den Bahnhof könnten aber in Kürze gerodet werden. Aufträge, die auf dem Baufahrplan nicht an erster Stelle stehen, sollen noch nicht vergeben werden.

Doch die Grundwasserregulierung - Voraussetzung für alle weiteren Tiefbauarbeiten - und die Gleisvorfeldarbeiten können aus Grubes Sicht nicht ausgesetzt werden. Was die Gegner besonders schmerzen wird: Auch die Vergabe für den Bau des mehrere 100 Millionen Euro teuren Tunnels zwischen City und Landesflughafen wird nicht aufgehalten.

"Es gibt noch gewisse Interpretationsspielräume beim Thema Baustopp, aber die sind nicht sehr groß", resümiert Wehling. Auch er ist überzeugt: "Wenn die Bahn und Mappus bei ihrer Ablehnung eines Bau- und Vergabestopps bleiben, dann ist Geißler demontiert." Das sei umso bedauerlicher, da der 80-Jährige von beiden Seiten akzeptiert werde und eigentlich unersetzlich sei. "Wenn Geißler es nicht schafft, wird jeder andere vor dieser Aufgabe zurückschrecken."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Der Freiburger Politologe Ulrich Eith hält dagegen: "In einer derart verfahrenen Situation kann es niemanden wirklich wundern, wenn er nicht zum Ziel kommt. Wenn er es aber doch schafft, ist es eine Meisterleistung - Geißler kann eigentlich nur gewinnen."

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Julia Giertz, DPA