Jetzt treffen sich die Parteichefs also im Kanzleramt - Angela Merkel, Horst Seehofer und Guido Westerwelle. Aber Krisengipfel? Neee, rufen CDU, CSU und FDP laut. Krise kennen wir nicht, Krise gibt es nicht. Wir regieren die Republik doch fabelhaft. So ungefähr klangen die Botschaften, die vom Drei-Königstreffen der FDP und aus dem CSU-Berglager im Wildbad Kreuth ertönten. Und nichts wurde mit solcher Penetranz vorgetragen wie der Satz: Wir machen, was wir vor der Wahl versprochen haben. Wir halten Wort! Ehrenwort!
Wenn das so ist, so sollte man zum Beispiel den CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer beim Wort nehmen. Der hat uns soeben mit der Erkenntnis überrascht, Politik müsse sich nach den Realitäten richten. Ach, was wäre es schön, wenn der CSU-Chef selbst einmal damit bei sich selbst anfangen würde. Wenn er mal gründlich nachforschen würde, wie zig Milliarden Euro aus der Kasse der von ihm kontrollierten Bayerischen Landesbank verschwinden konnten, ohne dass die CSU rechtzeitig aufmerkte. Oder welcher Sinn darin steckt, den Hoteliers eine Milliarde Mehrwertsteuer zu schenken, mit dem das ohnehin marode Mehrwertsteuersystem noch kränker gemacht wurde.
Kritik von Lammert
Statt sich auf Kampfgeschrei zu beschränken, sollten sich die Parteivorsitzenden auf ihrer Krisenkonferenz schlicht einmal darauf besinnen, dass Politik, die sich nicht an den Sachzwängen orientiert, verantwortungslos ist. Ihre Amtseide haben die Politiker in Regierungsämtern auf das Gemeinwohl abgelegt. Nicht auf ihre Parteiprogramme. Bislang jedoch operiert die schwarz-gelbe Regierung vor allem nach einem Gesichtspunkt, der mit politischer Gesamtverantwortung nichts zu tun hat: Wichtiger als Problemlösungen sind die Prozentzahlen unserer Partei.
Bundestagspräsident Norbert Lammert hat dankenswerterweise versucht, seine Parteifreunde und die Kanzlerin daran zu erinnern. Der Vorgang hat Gewicht. Ein CDU-Bundestagspräsident ruft eine CDU-Regierungschefin zur demokratischen Ordnung. Erinnert sie daran, dass es parlamentarisch leichtfertig ist, Gesetze durchzupauken ohne jeden Blick auf die Realitäten. Als ob die Machtverteidigung jedes Mittel rechtfertigte.
Schluss mit der Taktiererei!
Vielleicht schafft es die kommende Krisenrunde, sich auf den Weg der Vernunft zu begeben. Etwa dadurch, dass sie beschließt, künftige politische Operationen und Geschenke an der nächsten Prognose über die künftigen Steuereinnahmen zu orientieren. Damit die derzeitige Blindfliegerei beendet wird, dass uns weitere Worthülsen erspart bleiben und sich die Koalition in der Finanz- und Haushaltspolitik an der Realität orientiert. Es ist verständlich, wie sich FDP und CSU darauf kaprizieren, umzusetzen, was sie vor der Wahl versprochen haben.
Vielleicht sollten sie sich aber endlich einmal einen Gedanken darüber erlauben, ob sie nicht Wahlkampf gemacht haben mit windbeuteligen Versprechungen. Unter welcher Voraussetzung macht also der angekündigte Krisengipfel Sinn? An seinem Ende müsste ein Neustart stehen, der sich realpolitisch orientiert. Will heißen: Steuersenkungen sind längst nicht so wichtig wie sinnvolle Investitionsanreize. Geld in Hoteliersbetten zu stecken oder Erbschaftssteuergeschenke zu verteilen, gehört nicht in diese Rubrik. Ferner muss die peinliche Taktiererei mit Blick auf die wichtige Landtagswahl im Mai in NRW aufhören. Wer weiterhin bis dahin über bevorstehende unbequeme Wahrheiten schweigt, vergeudet wertvolle Zeit für überfällige politische Entscheidungen. Bisher ist den Beteiligten der koalitionäre Kleinkrieg wichtiger gewesen als überlegte Krisenbewältigung. Und vor allem müsste die Kanzlerin Merkel endlich ihr Politik des Stillschweigens und Herumdrückens um klare Entscheidungen aufgeben. Mit der ihr zur Verfügung stehenden Richtlinienkompetenz geht sie bisher feige und fahrlässig um.