Soldatenberuf Traumjob für Aufsteiger

Der Offiziersberuf, vor langer Zeit in Deutschland ein Elitejob, hat sich zum "Aufstiegsberuf" gewandelt. Wie Studien zeigen, bewerben sich vor allem diejenigen, die keine anderen Chancen auf dem Arbeitsmarkt sehen.

Die Bundeswehr hat derzeit keine ernsthaften Nachwuchssorgen. Im Gegenteil: Die Zahl der freiwilligen Bewerber ist offiziellen Angaben des Verteidigungsministeriums zufolge in den vergangenen 15 Jahren durch die Bank gestiegen, obwohl die Truppe bekanntlich ständig verkleinert wurde. 2004 bewarben sich demnach 40.762 Männer und Frauen für eine Laufbahn als Unteroffizier oder Mannschaftssoldat - weit mehr als die 12.000, die tatsächlich eingestellt wurden.

Bei den Offizieren werden in diesem Jahr von 12.247 Bewerbern sogar nur etwa 1.900 eingestellt. Mit dem Bewerberaufkommen sei man durchaus zufrieden, sagt ein Ministeriumssprecher dazu. Der Oberstleutnant verweist darauf, dass man die Attraktivität der Bundeswehr gesteigert habe, etwa durch die vermehrte Aufnahme von Bewerbern mit abgeschlossener Berufsausbildung, die bei der Truppe ihren Meister machen können. Auch die Öffnung der Armee für Frauen tat ein Gutes: Etwa 15 Prozent der Offiziersbewerber seien derzeit weiblich, bei Unteroffizieren und Mannschaften sogar rund 20 Prozent, berichtet der Sprecher.

"Zahlen spiegeln schlechte wirtschaftliche Lage wieder"

Doch Kritiker haben durchaus Zweifel, ob die Bundeswehr ihren Personalbedarf auch in Zukunft decken kann. Vor allem dann, wenn die Wehrpflicht gekippt wird und der Nachwuchs nicht mehr bequem aus jenem Pool junger Männer rekrutiert werden kann, der regelmäßig zum Grundwehrdienst eingezogen wird. Laut Verteidigungsministerium waren immerhin 40 Prozent der Unteroffiziere und Offiziere bereits als Grundwehrdienstleistende bei der Bundeswehr, als sie sich für eine Laufbahn als Berufs- oder Zeitsoldat entschlossen. "Die Zahlen spiegeln vor allem die schlechte wirtschaftliche Lage wieder", sagt etwa Otfried Nassauer vom Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit. Bei Kurzzeitverpflichtungen wie freiwillig länger dienenden Wehrpflichtigen gebe es bereits Engpässe, weiß Nassauer.

Ein weiteres Problem sei die kurze Wehrdienstdauer von derzeit neun Monaten. In dieser Zeit könnten die Rekruten über die Grundausbildung hinaus kaum in interessanten Spezialaufgaben eingesetzt werden. Die Folge seien "Verwahrdienst" und Klagen über "Gammelei", was wiederum potenzielle Bewerber abschrecke, sagt der Militärexperte. Das Ansehen des Soldatenberufs ist in Deutschland generell nicht sehr hoch. In der Berufsprestigeskala des Allensbach-Instituts rangiert der Offizier stets ganz weit unten, zuletzt (2003) bei neun Prozent, knapp über dem Politiker (acht Prozent) und Gewerkschaftsführer (sieben Prozent). Zum Vergleich: Spitzenreiter wurde der Arztberuf, dem 73 Prozent der Befragten die höchste Achtung bescheinigten.

Nassauer verweist darauf, dass Streitkräfte in den meisten westlichen Demokratien Akzeptanzprobleme haben. "Armeen, die sich primär als 'Kämpfer' stilisieren, kommen in einer relativ gut ausgebildeten Bevölkerung nicht gut an", sagt er. Die Bundeswehr müsse daher mehr als bisher auf ihr Konzept des "Staatsbürgers in Uniform" setzen. Denn als "zivile Armee" hat die Bundeswehr in der öffentlichen Wahrnehmung stets positiv abgeschnitten. Zuletzt war es der Einsatz von Soldaten bei der Oder-Flut 1997, der das Ansehen der Truppe kräftig steigerte, wie die Soziologin Maja Apelt sagt. Auch die Auslandseinsätze kämen in der Bevölkerung gut an, fügt sie hinzu. Dass die Bundeswehr als Institution einen guten Ruf genießt, zeigte auch die im April von der Unternehmensberatung McKinsey gemeinsam mit mehreren Medien veröffentlichte Studie "Perspektive Deutschland", worin die Befragten den Streitkräften ähnlich viel Vertrauen bescheinigten wie Greenpeace - und deutlich mehr als der evangelischen Kirche.

Chance gegen Arbeitslosigkeit

Apelt verweist aber auch darauf, dass die gefährlichen Auslandseinsätze die Attraktivität der Truppe als Arbeitgeber eher verringern. Das Bewerberaufkommen hänge letztendlich von der Arbeitslosigkeit ab. Vor allem deshalb sei es in Ostdeutschland höher als im Westen, sagt Apelt, die an der Universität der Bundeswehr in Hamburg forscht: "Bewerben tun sich vor allem die Leute, die keine andere Chancen auf dem Arbeitsmarkt sehen". Dementsprechend hat sich auch der Offiziersberuf, vor langer Zeit in Deutschland ein Elitejob, zum "Aufstiegsberuf" gewandelt, wie Apelts Kollege Martin Elbe von der Münchner Bundeswehr-Uni erklärt. Studien hätten gezeigt, dass die Studenten an den beiden Hochschulen der Bundeswehr viel eher aus ärmeren Schichten stammten als an den normalen Unis.

AP
Nikolaus von Twickel/AP