SPD Hamburg Naumann zum Spitzenkandidaten gewählt

Die krisengeschüttelte Hamburger SPD hat erwartungsgemäß mit großer Mehrheit den "Zeit"-Herausgeber Michael Naumann zum Spitzenkandidaten für die Hamburger Bürgermeisterschaftswahl 2008 gewählt. Schützenhilfe bekam er von Altkanzler Gerhard Schröder.

Die SPD Hamburg hat mit überwältigender Mehrheit den früheren Kulturstaatsminister Michael Naumann zu ihrem Spitzenkandidaten für die Bürgerschaftswahl 2008 gewählt. Auf dem außerordentlichen Landesparteitag sprachen sich bei 343 abgegebenen Stimmen 339 Delegierte für den ehemaligen Mitherausgeber der Wochenzeitung die "Zeit" aus. Drei Sozialdemokraten stimmten gegen Naumann, eine Stimme war ungültig. Das Ergebnis entspricht einer Zustimmung von 99,1 Prozent.

Die SPD Hamburg befindet sich seit Monaten in schweren Turbulenzen. Zuletzt war der gesamte Vorstand zurückgetreten, nachdem bei einer Mitgliederbefragung fast 1000 Wahlzettel verschwunden waren. Am Nachmittag wollten die Sozialdemokraten einen neuen Vorstand wählen. Als Parteichef vorgeschlagen ist SPD-Fraktionsvize Ingo Egloff.

Angriffe auf von Beust

Naumann griff bei seiner Antrittsrede die Politik von Hamburgs CDU-Bürgermeister Ole von Beust scharf an. "Dieser Bürgermeister hat nichts begriffen." Er warf ihm schwere Versäumnisse in nahezu allen Politikbereichen vor. Gleichzeitig rief Naumann die seit Monaten in einer Krise steckenden Partei auf, nach vorne zu blicken. "Von jetzt an geht es nicht mehr um unsere Gemütslage, sondern um das gesamte Hamburg." Als Schwerpunkte seiner künftigen Politik nannte er die Theman Finanzen, Kinder und Bildung. Er kündigte an, im Falle eines Sieges bei der Bürgerschaftswahl im kommenden Jahr 100 Schulen in Ganztagsschulen umwandeln zu wollen.

Naumann warf dem Senat einen "Chaoskurs und eine windschiefe Wirtschaftspolitik" vor. Beust habe in Fragen der Sozialpolitik versagt. Zudem bekräftigte Naumann seine Kritik an den bestehenden Regelungen zum Sozialpakt Ost. Hamburgs Bürger seien mit rund 17 000 Euro pro Kopf verschuldet. In einer Stadt wie Leipzig in Sachsen betrage die Pro-Kopf-Verschuldung gerade 1000 Euro. Darüber müsse geredet werden. Eine Fusion der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein zu einem gemeinsamen Nordstaat lehnte Naumann zunächst ab. ""Mit Verlaub und bei allem Respekt. Von Peter Harry Carstensen (CDU) und seiner Deichmannschaft möchte ich in Hamburg nicht regiert werden", sagte Naumann mit Blick auf die schwarz-rote Landesregierung in Kiel.

Schützenhilfe von Altkanzler Schröder

Naumanns Wahlkampfhelfer, Altkanzler Gerhard Schröder (SPD), schwor die Hamburger Sozialdemokraten auf Naumann ein. Er sei der geeignete Mann, um die SPD in der Hansestadt 2008 zurück an die Spitze im Rathaus zu führen. Naumann habe in einer schwierigen Situation gezeigt, was "praktizierte Solidarität" in einer Partei bedeute, sagte Schröder mit Blick auf die wochenlangen Querelen in der Partei. Die SPD habe allen Grund, selbstbewusst in den kommenden Wahlkampf zu ziehen.

Der scheidende Landeschef Mathias Petersen rief die Partei zu einem Neuanfang auf. "Hamburg braucht eine SPD, die sich der Dinge annimmt, die wirklich wichtig sind, die die Menschen in unserer Stadt bewegen. Hamburg braucht keine SPD, die sich selbst zerstört", sagte Petersen, der mit dem übrigen Vorstand nach dem Skandal um verschwundene Briefwahlstimmen zurückgetreten war. Den "Diebstahl" der Wählerstimmen bezeichnete Petersen als "politisches Verbrechen".

DPA
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