SPD-Parteitag in Dresden Ypsilanti verabschiedet sich - im Zorn

Es war darüber gemunkelt worden, jetzt ist es raus: Andrea Ypsilanti wird nicht wieder für den SPD-Parteivorstand kandidieren. In einem Brief, der stern.de vorliegt, kritisiert sie außerdem den Umgang der Parteiführung mit ihr.

Die hessische SPD-Politikerin Andrea Ypsilanti kandidiert beim bevorstehenden SPD-Bundesparteitag in Dresden nicht mehr für den Parteivorstand. Dies hat sie jetzt der hessischen SPD und dem Vorstand der Bundespartei mitgeteilt. Sie verknüpft ihren Verzicht mit massiver Kritik an der Nominierung der neuen SPD-Führung im Bund.

In dem Brief, der stern.de vorliegt, schreibt Ypsilanti, es müsse für die Partei in erster Linie um die geistige Herausforderung gehen, neue Zustimmung zu erwirken. "Die bloße Auswechselung der jeweiligen Parteiführung ist kein Ersatz dafür." Dass sich die SPD-Führung trotz des "Tiefschlags in der Bundestagswahl" zunächst auf Personalfragen fixiert habe, "zeigt erneut in hohem Maße das analytische Defizit." So lasse sich der elementare Widerspruch nicht auflösen, "dass unsere Gesellschaft mehr den je eine zukunftsfähige und glaubwürdig praktizierte sozialdemokratische Gestaltungskraft braucht - und diese ausgerechnet bei der SPD vermisst." Ypsilanti kündigte an, sich künftig außerhalb der SPD-Gremien an um die Entwicklung der "Sozialen Moderne" zu kümmern. Mit diesem Begriff hatte sie in Hessen Wahlkampf gemacht.

Ypsilanti erhebt auch schwere Vorwürfe gegen die bisherige SPD-Führung und jene, die in Dresden erneut kandidieren. Die ehemalige hessische Spitzenkandidatin erinnert daran, dass einst das SPD-Präsidium mit Willy Brandt, Johannes Rau und Hans-Jochen Vogel in Hessen Holger Börner bei dessen erstem Experiment mit einer rot-grünen Koalition unterstützt hat. "Die hessische SPD und insbesondere ich als Person wurden hingegen systematisch von denen diskreditiert, die mit inhaltlichen Wortbrüchen (Teile der Agenda 2010, Mehrwertsteuererhöhung etc.) zum Identitätsverlust der SPD und in der Folge zu hunderttausenden Parteiaustritten und serienmäßigen Niederlagen beigetragen haben." Die Verantwortlichen - womit Ypsilanti, ohne Namen zu nennen, auf den Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier und Noch-Parteichef Franz Müntefering zielt - hätten die Verantwortung dafür nie übernommen. Sie hätten die moderne Form der Verantwortungsübernahme vorgezogen, "nämlich in einem Führungsamt zu bleiben oder nahtlos ein neues anzustreben."

Ypsilanti versichert, ihr Verzicht auf eine erneute Kandidatur sei kein Rückzug aus der Politik. Auf mittlere Sicht schließe sie eine erneute Bewerbung für den Parteivorstand nicht aus.

Hans Peter Schütz