Pharmaindustrie
Medikamente werden knapp. Aber sollte man wirklich auf abgelaufene Pillen und Säfte zurückgreifen?
Sehen Sie im Video: Medikamente werden knapp. Aber sollte man wirklich auf abgelaufene Pillen und Säfte zurückgreifen?
Besuch in einer Berliner Apotheke. In Deutschland werden bestimmte Wirkstoffe und damit auch Medikamente knapp. Besonders beunruhigend sei die Lage mit Blick auf die Versorgung von Kindern, berichtet Anke Rüdinger, Vorsitzende des Berliner Apotheker-Vereins und Mitglied des geschäftsführenden Vorstands der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Sowohl Fieber- als auch Antibiotikasäfte seien nur mit Mühen oder gar nicht zu beziehen. Nun hat der Präsident der Bundesärztekammer Klaus Reinhardt den Vorschlag gemacht, nicht mehr benötigte Arzneimittel könnten innerhalb der Bevölkerung getauscht oder abgegeben werden. Die Menschen sollen sich also gegenseitig aushelfen. "Dieser Vorschlag vom Präsidenten der Bundesärztekammer ist in meinen Augen verantwortungslos und hat mich fassungslos gemacht. Arzneimittel sind Waren der besonderen Art. Die können nicht einfach mal so von Nachbar zu Nachbar weitergereicht werden. Die haben Wirkungen, die haben aber auch Nebenwirkungen und Wechselwirkungen. Und deswegen gehören sie immer in die Hände eines Apothekers, einer Apothekerin. Die entscheidet, ob das Arzneimittel für den Patienten, für die Patientin geeignet ist oder nicht." // "Der Präsident der Bundesärztekammer hatte ja auch vorgeschlagen, dass man verfallene Arzneimittel durchaus noch ein paar Monate weiter nehmen kann. Davor möchte ich ausdrücklich warnen. Arzneimittel haben im Gegensatz zu Lebensmitteln kein Mindesthaltbarkeitsdatum, sondern ein Verfalldatum. Und das aus gutem Grund. Bis zu diesem Datum übernimmt der Hersteller quasi die Garantie dafür, dass das Arzneimittel wirkt und auch unschädlich ist oder zumindest im Rahmen der Zulassung unschädlich ist. Ist dieses Verfalldatum überschritten, ist diese Garantie nicht mehr gegeben. Deswegen warne ich davor, abgelaufene Arzneimittel anzuwenden." Doch was tun, auch, um zukünftige Engpässe zu vermeiden? "Also wir können bei uns in den Apotheken Fiebersäfte herstellen. Das haben wir auch schon gemacht bei uns in der Apotheke. Und ich weiß auch von vielen Kolleginnen und Kollegen, die das schon gemacht haben. Das ist natürlich ein großer Aufwand, dies in der Rezeptur zu machen. Dadurch wird es auch teurer. Also die Krankenkassen müssen bereit sein, halt dann auch den Aufwand zu bezahlen. Was momentan für uns noch schwierig ist, in dieser Situation, ist, dass wir gezwungen sind, neue Verordnungen zu holen, Rezepturverordnungen, um die dann eben auch richtig abrechnen zu können. Da wünschte ich mir eben Erleichterungen hinsichtlich der Verfahrensweise, also dass eben, wenn der industriell hergestellte Fiebersaft nicht lieferbar ist, automatisch wir dann selbst hergestellte Säfte abgeben dürfen." // "Langfristig denke ich, da wäre es mein Wunsch, dass Wirkstoffproduktion wieder nach Europa geholt wird, damit wir uns von Lieferketten aus Asien unabhängig machen. Ob dies tatsächlich finanzierbar ist, weiß ich nicht. Da muss die Gesellschaft einfach die Entscheidung treffen, ob sie das finanzieren will. Auf alle Fälle muss dafür gesorgt werden, dass wir unabhängiger von diesen Lieferketten werden. Vielleicht durch Reserven, die in Deutschland angeschafft werden." Kinderkliniken und Arztpraxen in ganz Deutschland hatten zuletzt Überlastungen ihrer Kapazitäten gemeldet. Ungewöhnlich viele Kinder haben sich in den vergangenen Wochen mit dem Atemwegserreger ESV angesteckt. Mediziner melden eine hohe Zahl von schweren Krankheitsverläufen. Dazu kommen andere Erkrankungen, wie etwa die Influenza A und auch Covid-19.