Gerhard Schröder beschwert sich über angeblich gegen ihn konspirierende Journalisten. Wenn das so einfach wäre mit dem Konspirieren.Ich weiß nicht, wie das in anderen Berufsgruppen ist. In unserer gilt: Man kann sich nicht leiden.
Heute rief mich ein Journalistenkollege an, um sich zu beschweren, weil ich angeblich zu positiv über einen anderen Journalistenkollegen geschrieben hatte. Es ging um Bruno Schirra, dessen Wohnung die Polizei am Montag vergangener Woche durchsucht hatte. Die Ermittler suchten nach der Quelle für einen geheimen Bericht des BKA, aus dem Schirra in einem Stück für das Magazin Cicero zitiert hatte. Eindeutig ein Skandal, denn wenn Journalisten ihren Informanten nicht mehr Vertraulichkeit zusichern können, ist das gefährlich. Übrigens nicht nur für die Presse, sondern auch für die Leser, die von uns erwarten, dass wir nicht nur nachbeten, was uns Politiker, Behörden und Konzerne freiwillig erzählen.
Trotzdem beschwerte sich der Journalistenkollege, der anrief; übrigens ein bekannter Reporter für ARD-Magazine. Schirra habe einfach unprofessionell gearbeitet, in dem er aus dem BKA-Bericht Dinge zitiert habe, die den Ermittlern die Arbeit erschweren würden. Schirra hatte in der Tat mehrere Nummern von Satellitentelefonen preisgegeben, die der Al-Qaeda-Terrorist Abu Musab al-Zarquawi angeblich benutzt hatte. Dem Leser brachte das wenig; es half höchstens, den Bericht mit authentischen Details aufzupeppen.
Was immer man von solch einem Lapsus hält: Er rechtfertigt nicht, dass die Polizei das komplette Archiv eines Journalisten ausräumt. Polizeirazzien bei Journalisten sind ein Skandal, egal was man von dem Journalisten hält.
Ich bin ein gebranntes Kind, denn es gab eine Reihe von Journalisten, die bewußt nicht berichtet hatten, nachdem die belgische Polizei im März 2004 mein Brüsseler Büro gefilzt hatte. Viele deutsche Brüsseler Kollegen hatten mir vorher vorgeworfen, meine Artikel über die EU seien zu kritisch. Jetzt dachten wohl einige: Geschieht dem Tillack ganz recht. Womöglich dachten sogar einige Brüsseler ARD-Kollegen so. Jedenfalls fanden sie die Razzia nicht sendenswert.
Ob ich beim Thema Presserazzia nicht vielleicht befangen sei, fragte darauf der Anrufer. Hätte ich womöglich besser gar nicht über den Fall Schirra geschrieben?
Meine Antwort: Das denke ich genau nicht. Wenn das so wäre, hätte ich seit der von der EU-Betrugsbekämpfungsbehörde angezettelten Polizeioperation kein Recht mehr gehabt, über sie zu schreiben. Genau das hätte den Leuten dort so gepaßt.