Viele neue Erkenntnisse hat das TV-Duell zwischen den Kanzlerkandidaten Olaf Scholz (SPD) und Friedrich Merz (CDU) nicht gebracht. Beide Politiker machten ihre gewohnten Punkte zu gewohnten Themen.
Am Ende zeigte eine Umfrage des ZDF, dass Olaf Scholz etwas mehr überzeugen konnte als sein Herausforderer. Auch die Presse sieht leichte Vorteile für den Bundeskanzler. Fraglich ist allerdings, ob das für Scholz reicht, um bis zur Bundestagswahl seinen deutlichen Rückstand in den Umfragen noch aufzuholen.
So kommentiert die Presse das TV-Duell
"Die Zeit": "Insgesamt liefert Olaf Scholz einen souveränen, kämpferischen Auftritt ab, mit dem er vielleicht auch deshalb punktet, weil man so etwas schon fast nicht mehr erwartet hätte. Und Friedrich Merz tut das, was für ihn an diesem Abend am wichtigsten war: Er begeht keinen groben Fehler. Das Duell verdeutlicht allerdings auch, warum die Beliebtheitswerte beider Kandidaten so mau ausfallen: Emotional zum Wähler durchzudringen schaffen weder Merz noch Scholz."
"Tagesspiegel": "Ein trister Abend, nicht? Zwei Kandidaten, die Kanzler sein wollen, und keiner kann vollends überzeugen. Olaf Scholz nicht, weil sein Amtsbonus inzwischen ein Malus ist, Friedrich Merz nicht, weil er nie auch nur ein annähernd wichtiges Amt geführt hat. Welch eine Aussicht für die Zeit nach dem 23. Februar. Was bleibt? Doch ein bisschen Hoffnung in der Tristesse. Dass nämlich Union und SPD in einem Fall entschieden gemeinsame Sache machen wollen: gegen die AfD. Die Gefahr für die Demokratie und zugleich die Haushaltszahlen in den Griff zu bekommen – das könnte sogar eine Koalition wert sein."
"Süddeutsche Zeitung": "Olaf Scholz hat aus seiner schlechten Lage das Beste gemacht. Dass Scholz aus dem TV-Duell als knapper Sieger hervorgehen konnte, hat er allerdings in erster Linie der wenig schmeichelhaften Tatsache zu verdanken, dass die Menschen ziemlich wenig von ihm erwartet haben. Der Kanzler hat zumeist klarer gesprochen, als es die Menschen von ihm gewohnt sind – und er wirkte vergleichsweise sympathisch. Merz wiederum blieb in seinem Bestreben, die Menschen in ihrer Mehrheitsmeinung über Scholz zu bestätigen, allzu durchschaubar. Ihm ist während des Duells das Kunststück gelungen, noch etwas überheblicher zu wirken als Scholz, aber er hat auch nicht entscheidend gepatzt."
Das sind die Kanzlerkandidaten der Parteien

"T-Online": "Sie können es beide, sowohl Scholz als auch Merz. Jeder hat Stärken und Schwächen, aber beide haben das Format, das Land durch die kommenden Herausforderungen zu lotsen. Deshalb kann man als Bürger bei der Wahlentscheidung tatsächlich Sachfragen in den Vordergrund stellen. In einer Zeit, in der in Amerika ein unberechenbarer Narzisst regiert und vielerorts in Europa Extremisten nach der Macht greifen, ist das ein beruhigendes Gefühl. So gesehen war diese Debatte wirklich erfreulich."
"Bild": "Das Rennen scheint gelaufen. Scholz hätte einen Kantersieg, einen echten Triumph gebraucht, um überhaupt noch Chancen auf die Titelverteidigung zu haben. Doch daraus wurde nichts. Statt einer mitreißenden Gala bei den Themen Asyl, Wirtschaft, Ukraine, Sozialsysteme lieferte Scholz einen bissigen Auftritt ab. Er kämpfte, attackierte, lobte sich immer wieder selbst. Zu wenig, um Merz ernsthaft in Bedrängnis zu bringen."

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
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"Neue Zürcher Zeitung": "Die Debatte war hart, meistens fair, und vor allem zeigte sie eines: Die Bürger in Deutschland haben wieder die Wahl zwischen zwei Politikern der Mitte, die unterschiedliche Weltanschauungen vertreten. Kanzler Scholz hatte den weitaus schwierigeren Part. In den drei Jahren seiner Kanzlerschaft ging es mit Deutschland bergab wie schon lange nicht mehr. Das ist auch, aber gewiss nicht nur, die Schuld von Scholz. Konfrontiert mit der Deindustrialisierung und dem außer Kontrolle geratenen Asylsystem, kämpfte er fast den ganzen Abend bergauf, schlug sich aber den Umständen entsprechend passabel."
"Tages-Anzeiger": "Wem nützte dieses Duell mehr? Die Deutschen haben nach gut drei Jahren seiner Regierung eine historisch schlechte Meinung von ihrem Kanzler. Scholz’ SPD liegt in den Umfragen so weit hinter Merz‘ Christdemokraten zurück, dass auch ein engagierter TV-Auftritt vor einem Millionenpublikum an dieser Einschätzung nicht viel ändern dürfte. Merz hingegen musste und muss nur die Hoffnung bedienen, das Land werde unter seiner Führung wieder aufblühen – und das leistete er am Sonntagabend recht verlässlich."
"Spiegel": "Der inszenierte Zweikampf schmeichelt Scholz und der SPD, er lässt die Genossen aussichtsreicher erscheinen, als sie tatsächlich sind. Es ist ein verzerrtes Abbild der Wirklichkeit. Die bevorstehenden TV-Viererrunden, an denen neben Scholz und Merz auch Robert Habeck und Alice Weidel teilnehmen, geben die politische Lage des Landes ehrlicher wieder, als es das Duellformat tut. Scholz und Merz sagten bekümmernd wenig zur Zukunft des Landes. Die großen Fragen, mit denen es die Deutschen in den kommenden Jahren zu tun haben, kamen zu kurz."
"Welt": "Ein glattes Unentschieden, also hat der Kanzler verloren. Es ist eher nicht zu erwarten, dass just dieses TV-Duell viel an den Umfragen verändern wird, aber immerhin ist nun einmal mehr klar, welche Positionen sich hier gegenüberstehen."