Unicef-Studie In Deutschland lebt es sich als Kind nur mittelmäßig

Alleinerziehenden und ihren Kindern geht es in Deutschland relativ schlecht, viele Jugendliche machen sich Sorgen um ihre Zukunft. Das ist das Ergebnis einer Unicef-Studie. Obwohl Deutschland sich im internationalen Vergleich verbessert hat, sieht Unicef noch "deutliche Defizite".

Kinder in Deutschland haben es im Vergleich zu anderen Industrieländern nicht besonders gut. Das ergab eine Studie, die das UN-Kinderhilfswerk Unicef am Donnerstag vorlegte. Besonders alleinerziehende Mütter und ihr Nachwuchs sind einem hohen Armutsrisiko ausgesetzt. Deutschland konnte sich zwar im Vergleich zu 2007 um drei Plätze auf Platz acht verbessern und belegt damit einen guten Mittelplatz, in den Bereichen "Materielles Wohlbefinden" und Gesundheit ist es jedoch unterdurchschnittlich.

Den ersten Platz unter 21 Nationen belegten erneut die Niederlande. Hinter dem Mittelplatz für Deutschland "verbergen sich deutliche Defizite", erklärte Geschäftsführerin Regine Stachelhaus von Unicef Deutschland. "Der Armutsdruck ist gerade für Alleinerziehende dramatisch. Sie werden von der Politik bisher nicht erreicht."

Köhler lehnt Kinderrechte im Grundgesetz ab

Besorgniserregend sei, dass Jugendliche hierzulande ihre beruflichen Perspektiven düsterer sehen als in allen anderen Industrienationen. Sie berichten häufiger davon, sich allein gelassen und als Außenseiter zu fühlen. Als "erfreulich" ermittelten die Forscher dagegen, dass der Anteil der Kinder, die die Schule nach eigenen Angaben "sehr gerne" mögen, mit 36 Prozent überdurchschnittlich hoch lag.

Bundesfamilienministerin Kristina Köhler (CDU) lehnte bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt die Forderung der Unicef-Managerin nach Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz ab. Auch zu einer eigenen Kindergrundsicherung äußerte sie sich skeptisch: Sie setze auf andere, zielgenauere Instrumente wie den Kinderzuschlag oder den erhöhten Kinderfreibetrag.

"Pass auf, dass Du nicht scheiterst!"

Am Rechtsanspruch, von 2013 an für 35 Prozent der Kinder unter drei Jahren einen Betreuungsplatz anzubieten, werde "nicht gerüttelt, auf gar keinen Fall", stellte Köhler klar. Sie wies Einwände der Kommunen gegen den Ausbau von Krippenplätzen zurück. Der Bund habe seine Zusage erfüllt, vier Milliarden Euro beizusteuern. Nun seien die Kommunen am Zug. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hatte jüngst erklärt, der vorgesehene Rechtsanspruch sei nicht umsetzbar. Zur Begründung hieß es, ein Kita-Platz werde nicht wie angenommen von 35 Prozent, sondern von 66 Prozent der Eltern gewünscht. Das sei nicht bezahlbar. Köhler bezweifelte die Zahl.

Einer der Autoren der Studie, Hans Bertram von der Humboldt-Universität, erklärte, bei amerikanischen Jugendlichen komme trotz deutlich ungünstigerer materieller Bedingungen die Botschaft an: Du kannst es schaffen! "In Deutschland vermitteln wir vor allem mögliche Gefahren. Nach dem Motto: Pass auf, dass Du nicht scheiterst!"

Wohlbefinden der Kinder in 21 Ländern verglichen

Bertram und Co-Autor Steffen Kohl haben das Wohlbefinden der Kinder in 21 Industrieländern anhand von sechs Dimensionen verglichen: materielles Wohlbefinden, Gesundheit und Sicherheit, Bildung und Ausbildung, Beziehungen zu Familie und Gleichaltrigen, Verhaltensrisiken sowie subjektives Wohlbefinden. Danach hat sich Deutschland bei Bildung, Beziehungen zu Gleichaltrigen und Familie sowie Verhalten und Risiken verbessert. Bei Gesundheit und Sicherheit belegt Deutschland Platz elf. Defizite gibt es weiter hinsichtlich der Säuglingssterblichkeit, des Geburtsgewichts der Kinder und der Impfrate.

In der Dimension Bildung und Ausbildung sahen die Autoren trotz Fortschritten auch Besorgnis erregende Trends. So erwarten knapp 25 Prozent, dass sie nach Beendigung der Schule und der Ausbildung nur Arbeiten mit niedriger Qualifikation ausüben werden. In den USA, die im Gesamtvergleich ganz hinten liegen, haben nur neun Prozent eine so pessimistische Erwartung hinsichtlich ihrer Zukunftschancen. Deutschland liegt hier auf dem letzten Platz aller untersuchten Industrieländer. Rund zwölf Prozent der Jugendlichen im Alter von 13 und 15 Jahren in Deutschland leiden zudem an Übergewicht und Bewegungsmangel.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Kampf gegen Kinderarmut gezielt verstärken

Das UN-Kinderhilfswerk appellierte an Bundesregierung, Länder und Kommunen, das Wohlbefinden und die Rechte der Kinder zum Maßstab ihrer politischen Entscheidungen zu machen. Kinder dürften nicht nur aus der Perspektive ihrer Leistungsfähigkeit beurteilt werden. "Der Kampf gegen Kinderarmut in Deutschland muss gezielt verstärkt werden", forderte Unicef. Mehr müsse auch getan werden, um die Gesundheit der Kinder zu fördern. Um dem internationalen Problem übergewichtiger Kinder zu begegnen, müssten Sport und Bewegung sowie ausgewogene Ernährung einen höheren Stellenwert erhalten. Medien, Politik und Elternhäuser sollten sich konsequenter gegen Rauchen und Alkoholkonsum positionieren.

DPA
APN/DPA