Uno-Simulation Schnuppertag im Welttheater

Von Nikolas Kessels
Der Nahe Osten, Aids, Nordkoreas Atomprogramm - die Welt steckt voller Probleme. Warum tut die Uno eigentlich nichts? Was läuft da schief in New York? Um das herauszufinden, trafen sich über 200 junge Leute zu einer Simulation.

Eben noch Student, prangt nun ein Schildchen mit der Funktionsbezeichnung am Revers - die Reise in die Wirren der Diplomatie kann beginnen. 192 Staaten wie in der echten Vollversammlung am East River in New York sind zwar nicht gekommen. Aber doch immerhin rund 60. Die Herren tragen dunkle Anzüge, die Damen Kostüm. Als die Vorsitzende Inga Diercks, eine 25-jährige Politologiestudentin, im Hörsaal B der Hamburger Uni die Sitzung eröffnet, fühlen sich alle wie echte Diplomaten.

Internationaler Kampf gegen Drogen

Auf der Tagesordnung steht der internationale Kampf gegen Drogen. Ein Testfall für das Funktionieren der Weltgemeinschaft; und - wie sich bald zeigt - ein Lehrbeispiel dafür, warum der Fortschritt bei der Uno so schneckenhaft vorangeht. In der Drogenfrage sortieren sich die Delegierten, die im wahren Leben meist Politik oder Jura studieren, bald in drei Gruppen: Die Europäer, Kanada und andere Industriestaaten plädieren für "transnationale Polizeikooperation"; die Dritte Welt hofft, die Drogenbekämpfung mit der Entwicklungshilfe zu verknüpfen; und ein paar Transitstaaten des Rauschgifthandels wie Jordanien betonen, dass die wirtschaftliche und soziale Stabilität in ihren Ländern dazu beitragen würde, das Problem einzudämmen.

Verfahrenstricks und Antragsakrobatik

Gekämpft wird mit Verfahrenstricks und Antragsakrobatik, alles natürlich auf Englisch. Auf den Fluren wird "gedealt". Die Hauptschwierigkeit in Hörsaal B ist die gleiche wie bei der echten Uno: Die Macht ist nicht da, wo die Mehrheit ist. Am Ende freuen sich die afrikanischen Delegierten über einen klaren Abstimmungserfolg - sie drücken einen Antrag durch, in dem gefordert wird, aus den Büros der Uno-Behörde zur Drogen- und Kriminalitätsbekämpfung regionale Zentren zu machen, in denen Entwicklungshilfe- und Anti-Drogen-Kampf koordiniert werden.

Da erhebt sich ein Studierender von der Bundeswehr-Hochschule, der hier die Sache Kanadas vertritt: "Dann drehen wir den Geldhahn zu", sagt er stellvertretend für die reichen Länder. Jeder hat sich rational verhalten, doch das Ergebnis nützt vor allen den Drogendealern. Die Erkenntnis ist frustrierend. Und eine weitere kommt nach drei Tagen Uno-Planspiel hinzu: Es gibt keine Alternative dazu, es wenigstens zu versuchen.

Simulationen an vielen Unis

Die Uno selbst unterstützt Simulationen ihrer Arbeit wie in Hamburg seit Jahrzehnten. An fast jeder größeren Universität gibt es die Möglichkeit, sich an solchen Modellen zu beteiligen. Und im März findet in New York die Mutter aller Planspiele statt - im Sheraton gegenüber dem Uno-Glasplast, vier Tage lang. Da wird sich auch der neue Generalsekretär Ban Ki Moon den Fragen der jungen Leuten stellen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

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Als Sparringspartner aus der Politik diente in Hamburg der amerikanische Generalkonsul Duane C. Butcher. Doch dessen Auskunftsbereitschaft nahm dramatisch ab, sobald heikle Fragen nach Amerikas Rolle in der Welt gestellt wurden. Irgendwie ließ er dennoch durchblicken, dass es letztlich um Macht, Geld und Interessen geht.

Die große Sache droht im Gewusel unterzugehen

Genau das zeigte sich auch, als am Sonntag die Ergebnisse aus den einzelnen Gruppen des Planspiels präsentiert werden: Die große Sache droht im Gewusel unterzugehen. Manchmal stehen sich die Mächte selbst im Weg. Im Sicherheitsrat etwa - dem wichtigsten Gremium der Uno - beharkten sich die USA und China, ob in einer Resolution nun etwas "gefordert" oder "verlangt" werden soll.

In einem Ausschuss, in dem es um die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen ging, legten die USA und die von ihnen ausgemachten Schurkenstaaten ausführlich dar, was sie voneinander halten - für wegweisende Beschlüsse blieb leider keine Zeit. Am Ende, nach vielen Stunden Debatte, fasste der sichtlich ermattete "Generalsekretär" der simulierten Uno, Paul Kortländer, zusammen: "Manchmal fragt man sich: Warum klappt das nicht? Verstehen tut man es erst, wenn man es mal gemacht hat. Man merkt, wie schwierig es sein muss."