Im koalitionsinternen Streit um den Kurs der schwarz-gelben Bundesregierung hat der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki die Union scharf angegriffen. CDU und CSU sei es völlig egal, mit wem sie regiere, sagte Kubicki der "Leipziger Volkszeitung" vom Dienstag. "In Wahrheit hat die Union immer nur einen Mehrheitsbeschaffer gesucht." Das habe Parteichef Guido Westerwelle eine Weile sprachlos gemacht, doch das sei jetzt vorbei. Kubicki sagte, die Liberalen würden bei Streitfragen künftig direkt die Konfrontation mit Politikern von CDU und CSU suchen. "Nicht SPD oder Grüne sind die größten Widersacher der FDP, sondern CDU und CSU."
Die FDP sei für Reformen gewählt worden und werde diese nun vehementer einfordern, sagte Kubicki dem Blatt. Als Beispiele nannte er die Steuer- und Gesundheitspolitik. Aus Angst, dass der CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers in Nordrhein-Westfalen die Wahl verliere, habe bis Mai in Sachen Steuerreform alles unklar bleiben sollen, sagte Kubicki. Die FDP beharre aber auf grundlegenden Änderungen und Vereinfachungen im Steuersystem. Die Liberalen müssten sich "jetzt eine Reihe von Unionspositionen und Unionspersonen vorknöpfen", forderte Kubicki. Die Partei müsse in ihrer "ganzen personellen Breite" dem Eindruck entgegentreten, sie sei nur gewählt worden, damit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit ihr die Politik der großen Koalition fortsetzen könne.
Angesichts drastisch gesunkener Umfragewerte war in der FDP in den vergangenen Tagen eine Diskussion um die Ausrichtung der Partei entbrannt. Nach einer Krisensitzung am Sonntag hatten die Liberalen angekündigt, noch vor der Steuerschätzung im Mai Vorschläge für die Steuerreform vorzulegen. Die Union will über mögliche Entlastungen erst nach der Steuerschätzung entscheiden.