Ursula von der Leyen (CDU) hat erstmals ausführlich davon gesprochen, wie sehr sich ihr Leben als Verteidigungsministerin in Zeiten des Terrors verändert hat. Im Gespräch mit dem stern sagte sie: "Ich dachte, es sei mein Recht, ab und zu eine Pause haben zu dürfen. Das sehe ich heute anders:" Sie habe die bittere Erfahrung gemacht, dass jeden Moment etwas passieren könne: "Ich muss ständig erreichbar sein." Von der Leyen verzichtet mittlerweile auf auswärtige Urlaube. "Ich mache Ferien lieber zu Hause. Ich erhole mich dort besser. Ich bin ruhiger."
Meine Pflichten sind im Ernstfall zu groß
In der neuen Ausgabe des stern sagte die Ministerin, dass sie auch nur noch sehr selten zu Veranstaltungen gehe, bei denen man über einen roten Teppich laufen müsse. "In meinem Kopf ist die Diskrepanz zwischen einem entspannten Alltag und meinen Pflichten im Ernstfall einfach zu groß." Dabei schätze sie die "Leichtigkeit des Lebens - eines Tages, nach diesem Amt, möchte ich sie auch wieder haben."
Die Ministerin machte deutlich, dass sie einen Abzug der deutschen Soldaten vom türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik selbst dann für falsch hält, wenn die Türkei die Todesstrafe einführen sollte. "Es ist das falsche Drohmittel", so von der Leyen. "Es wäre für die politischen Beziehungen zwischen uns EU-Staaten und der Türkei ohne Frage ein schwerer Schock, wenn sie die Todesstrafe einführte", sagte die Ministerin. "Aber der Abzug der deutschen Soldaten aus Incirlik wäre für die Anti-IS-Koalition schlimmer als für die Türkei. Auch unser Nato-Partner USA hat ja die Todesstrafe noch nicht abgeschafft." Von der Leyen plädierte dafür, gegen die Todesstrafe auf der politischen Ebene zu streiten, nicht auf der militärischen.
In den vergangenen Wochen war der Abzug aus Incirlik unter anderem von SPD-Chef Sigmar Gabriel und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) ins Spiel gebracht worden, um damit das Besuchsverbot für deutsche Parlamentarier auf der Luftwaffenbasis zu sanktionieren.
Ursula von der Leyen: Gefährlichste Zeit meines Lebens
Von der Leyen bezeichnete die von Terroranschlägen, Kriegen, Rassenunruhen und Militärputschen geprägte Zeit als "die gefährlichste Zeit in meinem Leben". Als Hauptursachen nannte sie zum einen den "dschihadistischen Terror mit dem Ziel, die gesamte Welt in ihr menschenverachtendes Raster von Gläubigen und Ungläubigen aufzuspalten." Zum anderen sei da das veränderte Verhalten Russlands: "Ein Land, mit dem wir lange in der Hoffnung gelebt haben, dass wir zusammen ein europäisches Haus bauen können." Man habe zu lange gebraucht, um den strategischen Schwenk des Kreml zu erkennen.
Im stern greift von der Leyen auch den Präsidentschaftskandidaten der Republikaner, Donald Trump, scharf an. Trump hatte in einem Interview die Bündnissolidarität der Nato infrage gestellt und sie von den Beitragszahlungen einzelner Staaten abhängig gemacht. "Es wäre der Tod einer Gemeinschaft, wenn man wie Donald Trump anfängt, Schuldenkonten auf beiden Seiten aufzumachen." Trumps Haltung zeige, "dass er nicht sieht, auf welchem gemeinsamen Verständnis die Nato aufgebaut ist." Das Bündnis beruhe nicht auf einer Kosten-Nutzen-Rechnung.